[1.1] Dies sind die Reden des Predigers, des Sohnes
Davids, des Königs zu Jerusalem.
[1.2] Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist
alles ganz eitel.
[1.3] Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe,
die er hat unter der Sonne?a
[1.4] Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde
aber bleibt immer bestehen.
[1.5] Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an
ihren Ort, daß sie dort wieder aufgehe.
[1.6] Der Wind geht nach Süden und dreht sich nach Norden
und wieder herum an den Ort, wo er anfing.
[1.7] Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer
nicht voller; an den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer
wieder.
[1.8] Alles Reden ist so voll Mühe, daß niemand damit zu
Ende kommt. Das Auge sieht sich niemals satt, und das Ohr hört
sich niemals satt.
[1.9] Was geschehen ist, eben das wird hernach sein. Was
man getan hat, eben das tut man hernach wieder, und es geschieht
nichts Neues unter der Sonne.
[1.10] Geschieht etwas, von dem man sagen könnte:
"Sieh, das ist neu"? Es ist längst vorher auch
geschehen in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.
[1.11] Man gedenkt derer nicht, die früher gewesen sind,
und derer, die hernach kommen; man wird auch ihrer nicht gedenken
bei denen, die noch später sein werden.
[1.12] Ich, der Prediger, war König über Israel zu
Jerusalem
[1.13] und richtete mein Herz darauf, die Weisheit zu
suchen und zu erforschen bei allem, was man unter dem Himmel tut.
Solch unselige Mühe hat Gott den Menschenkindern gegeben, daß
sie sich damit quälen sollen.
[1.14] Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne
geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind.
[1.15] Krumm kann nicht gerade werden, noch, was fehlt,
gezählt werden.
[1.16] Ich sprach in meinem Herzen: Siehe, ich bin
herrlich geworden und habe mehr Weisheit als alle, die vor mir
gewesen sind zu Jerusalem, und mein Herz hat viel gelernt und
erfahren.
[1.17] Und ich richtete mein Herz darauf, daß ich lernte
Weisheit und erkennte Tollheit und Torheit. Ich ward aber gewahr,
daß auch dies ein Haschen nach Wind ist.
[1.18] Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und
wer viel lernt, der muß viel leiden.
[2.1] Ich sprach in meinem Herzen: Wohlan, ich will
Wohlleben und gute Tage haben! Aber siehe, das war auch eitel.
[2.2] Ich sprach zum Lachen: Du bist toll! und zur Freude:
Was schaffst du?
[2.3] Da dachte ich in meinem Herzen, meinen Leib mit Wein
zu laben, doch so, daß mein Herz mich mit Weisheit leitete, und
mich an Torheit zu halten, bis ich sähe, was den Menschen zu tun
gut wäre, solange sie unter dem Himmel leben.
[2.4] Ich tat große Dinge: ich baute mir Häuser, ich
pflanzte mir Weinberge,
[2.5] ich machte mir Gärten und Lustgärten und pflanzte
allerlei fruchtbare Bäume hinein;
[2.6] ich machte mir Teiche, daraus zu bewässern den Wald
der grünenden Bäume.
[2.7] Ich erwarb mir Knechte und Mägde und hatte auch
Gesinde, im Hause geboren; ich hatte eine größere Habe an
Rindern und Schafen als alle, die vor mir zu Jerusalem waren.
[2.8] Ich sammelte mir auch Silber und Gold und was
Könige und Länder besitzen; ich beschaffte mir Sänger und
Sängerinnen und die Wonne der Menschen, Frauen in Menge,
[2.9] und war größer als alle, die vor mir zu Jerusalem
waren. Auch da blieb meine Weisheit bei mir.
[2.10] Und alles, was meine Augen wünschten, das gab ich
ihnen und verwehrte meinem Herzen keine Freude, so daß es
fröhlich war von aller meiner Mühe; und das war mein Teil von
aller meiner Mühe.
[2.11] Als ich aber ansah alle meine Werke, die meine Hand
getan hatte, und die Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war
es alles eitel und Haschen nach Wind und kein Gewinn unter der
Sonne.
[2.12] Da wandte ich mich, zu betrachten die Weisheit und
die Tollheit und Torheit. Denn was wird der Mensch tun, der nach
dem König kommen wird? Was man schon längst getan hat.
[2.13] Da sah ich, daß die Weisheit die Torheit
übertrifft wie das Licht die Finsternis;
[2.14] daß der Weise seine Augen im Kopf hat, aber die
Toren in der Finsternis gehen; und ich merkte doch, daß es dem
einen geht wie dem andern.
[2.15] Da dachte ich in meinem Herzen: Wenn es denn mir
geht wie dem Toren, warum hab ich dann nach Weisheit getrachtet?
Da sprach ich in meinem Herzen: Auch das ist eitel.
[2.16] Denn man gedenkt des Weisen nicht für immer,
ebensowenig wie des Toren, und in künftigen Tagen ist alles
vergessen. Wie stirbt doch der Weise samt dem Toren!
[2.17] Darum verdroß es mich zu leben, denn es war mir
zuwider, was unter der Sonne geschieht, daß alles eitel ist und
Haschen nach Wind.
[2.18] Und mich verdroß alles, um das ich mich gemüht
hatte unter der Sonne, weil ich es einem Menschen lassen muß,
der nach mir sein wird.
[2.19] Denn wer weiß, ob er weise oder töricht sein wird
und soll doch herrschen über alles, was ich mit Mühe und
Weisheit geschafft habe unter der Sonne. Das ist auch eitel.
[2.20] Da wandte ich mich dahin, daß ich mein Herz
verzweifeln ließ an allem, um das ich mich mühte unter der
Sonne.
[2.21] Denn es muß ein Mensch, der seine Arbeit mit
Weisheit, Verstand und Geschicklichkeit mühsam getan hat, es
einem andern zum Erbteil überlassen, der sich nicht darum
gemüht hat. Das ist auch eitel und ein großes Unglück.
[2.22] Denn was kriegt der Mensch von aller seiner Mühe
und dem Streben seines Herzens, womit er sich abmüht unter der
Sonne?
[2.23] Alle seine Tage sind voller Schmerzen, und voll
Kummer ist sein Mühen, daß auch sein Herz des Nachts nicht Ruhe
findet. Das ist auch eitel.
[2.24] Ist's nun nicht besser für den Menschen, daß er
esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei seinem
Mühen? Doch dies sah ich auch, daß es von Gottes Hand kommt.
[2.25] Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne
ihn?
[2.26] Denn dem Menschen, der ihm gefällt, gibt er
Weisheit, Verstand und Freude; aber dem Sünder gibt er Mühe,
daß er sammle und häufe und es doch dem gegeben werde, der Gott
gefällt. Auch das ist eitel und Haschen nach Wind.
[3.1] Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben
unter dem Himmel hat seine Stunde:
[3.2] geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine
Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat
seine Zeit;
[3.3] töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
[3.4] weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen
hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
[3.5] Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat
seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine
Zeit;
[3.6] suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
[3.7] zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
[3.8] lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit
hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
[3.9] Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen
Gewinn davon.
[3.10] Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben
hat, daß sie sich damit plagen.
[3.11] Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch
hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur daß der Mensch nicht
ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
[3.12] Da merkte ich, daß es nichts Besseres dabei gibt
als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
[3.13] Denn ein Mensch, der da ißt und trinkt und hat
guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
[3.14] Ich merkte, daß alles, was Gott tut, das besteht
für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut
Gott, daß man sich vor ihm fürchten soll.
[3.15] Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und
was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt
wieder hervor, was vergangen ist.
[Note: Vergänglichkeit des Menschen][3.16] Weiter sah ich
unter der Sonne: An der Stätte des Rechts war Gottlosigkeit, und
an der Stätte der Gerechtigkeit war Frevel.
[3.17] Da sprach ich in meinem Herzen: Gott wird richten
den Gerechten und den Gottlosen; denn alles Vorhaben und alles
Tun hat seine Zeit.
[3.18] Ich sprach in meinem Herzen: Es geschieht wegen der
Menschenkinder, damit Gott sie prüfe und sie sehen, daß sie
selber sind wie das Vieh.
[3.19] Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies
stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der
Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel.
[3.20] Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus
Staub geworden und wird wieder zu Staub.
[3.21] Wer weiß, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre
und der Odem des Viehes hinab unter die Erde fahre?
[3.22] So sah ich denn, daß nichts Besseres ist, als daß
ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein
Teil. Denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm
geschehen wird?
[4.1] Wiederum sah ich alles Unrecht an, das unter der
Sonne geschieht, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht
litten und keinen Tröster hatten. Und die ihnen Gewalt antaten,
waren zu mächtig, so daß sie keinen Tröster hatten.
[4.2] Da pries ich die Toten, die schon gestorben waren,
mehr als die Lebendigen, die noch das Leben haben.
[4.3] Und besser daran als beide ist, wer noch nicht
geboren ist und des Bösen nicht innewird, das unter der Sonne
geschieht.
[4.4] Ich sah alles Mühen an und alles geschickte Tun: da
ist nur Eifersucht des einen auf den andern. Das ist auch eitel
und Haschen nach Wind.
[4.5] Ein Tor legt die Hände ineinander und verzehrt sein
eigenes Fleisch.
[4.6] Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste
voll mit Mühe und Haschen nach Wind.
[4.7] Wiederum sah ich Eitles unter der Sonne:
[4.8] Da ist einer, der steht allein und hat weder Kind
noch Bruder, doch ist seiner Mühe kein Ende, und seine Augen
können nicht genug Reichtum sehen. Für wen mühe ich mich denn
und gönne mir selber nichts Gutes? Das ist auch eitel und eine
böse Mühe.
[4.9] So ist's ja besser zu zweien als allein; denn sie
haben guten Lohn für ihre Mühe.
[4.10] Fällt einer von ihnen, so hilft ihm sein Gesell
auf. Weh dem, der allein ist, wenn er fällt! Dann ist kein
anderer da, der ihm aufhilft.
[4.11] Auch, wenn zwei beieinander liegen, wärmen sie
sich; wie kann ein einzelner warm werden?
[4.12] Einer mag überwältigt werden, aber zwei können
widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht
entzwei.
[Note: Volksgunst ist eitel][4.13] Ein Knabe, der arm,
aber weise ist, ist besser als ein König, der alt, aber töricht
ist und nicht versteht, sich raten zu lassen.
[4.14] Denn aus dem Gefängnis ist er auf den Thron
gekommen und war doch arm geboren, als jener noch König war.
[4.15] Und ich sah alle Lebenden, die unter der Sonne
wandelten, bei dem zweiten Knaben, der an jenes Stelle treten
sollte.
[4.16] Und es war kein Ende des Volks, vor dem er herzog.
Und doch wurden seiner nicht froh, die später kamen. Das ist
auch eitel und Haschen nach Wind.
[Note: Warnung vor Unbedachtsamkeit beim Gottesdienst][4.17]
Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehst, und komm,
daß du hörest. Das ist besser, als wenn die Toren Opfer
bringen; denn sie wissen nichts als Böses zu tun.
[5.1] Sei nicht schnell mit deinem Munde und laß dein
Herz nicht eilen, etwas zu reden vor Gott; denn Gott ist im
Himmel und du auf Erden; darum laß deiner Worte wenig sein.
[5.2] Denn wo viel Mühe ist, da kommen Träume, und wo
viel Worte sind, da hört man den Toren.
[5.3] Wenn du Gott ein Gelübde tust, so zögere nicht, es
zu halten; denn er hat kein Gefallen an den Toren; was du
gelobst, das halte.
[5.4] Es ist besser, du gelobst nichts, als daß du nicht
hältst, was du gelobst.
[5.5] Laß nicht zu, daß dein Mund dich in Schuld bringe,
und sprich vor dem Boten Gottes nicht: Es war ein Versehen. Gott
könnte zürnen über deine Worte und verderben das Werk deiner
Hände.
[5.6] Wo viel Träume sind, da ist Eitelkeit und viel
Gerede; darum fürchte Gott!
[Note: Warnung bei offenbarem Unrecht][5.7] Siehst du, wie
im Lande der Arme Unrecht leidet und Recht und Gerechtigkeit zum
Raub geworden sind, dann wundere dich nicht darüber; denn ein
Hoher schützt den andern, und noch Höhere sind über beiden.
[5.8] Aber immer ist ein König, der dafür sorgt, daß
das Feld bebaut wird, ein Gewinn für das Land.
[Note: Nichtigkeit des Reichtums][5.9] Wer Geld liebt,
wird vom Geld niemals satt, und wer Reichtum liebt, wird keinen
Nutzen davon haben. Das ist auch eitel.
[5.10] Denn wo viele Güter sind, da sind viele, die sie
aufessen; und was hat ihr Besitzer mehr davon als das Nachsehen?
[5.11] Wer arbeitet, dem ist der Schlaf süß, er habe
wenig oder viel gegessen; aber die Fülle läßt den Reichen
nicht schlafen.
[5.12] Es ist ein böses Übel, das ich sah unter der
Sonne: Reichtum, wohl verwahrt, wird zum Schaden dem, der ihn
hat.
[5.13] Denn der Reiche kommt um durch ein böses Geschick,
und wenn er einen Sohn gezeugt hat, dem bleibt nichts in der
Hand.
[5.14] Wie einer nackt von seiner Mutter Leibe gekommen
ist, so fährt er wieder dahin, wie er gekommen ist, und trotz
seiner Mühe nimmt er nichts mit sich in seiner Hand, wenn er
dahinfährt.
[5.15] Das ist ein böses Übel, daß er dahinfährt, wie
er gekommen ist. Was hilft's ihm denn, daß er in den Wind
gearbeitet hat?
[5.16] Sein Leben lang hat er im Finstern und in Trauer
gesessen, in großem Grämen und Krankheit und Verdruß.
[5.17] So habe ich nun das gesehen, daß es gut und fein
sei, wenn man ißt und trinkt und guten Mutes ist bei allem
Mühen, das einer sich macht unter der Sonne in der kurzen Zeit
seines Lebens, die ihm Gott gibt; denn das ist sein Teil.
[5.18] Denn wenn Gott einem Menschen Reichtum und Güter
gibt und läßt ihn davon essen und trinken und sein Teil nehmen
und fröhlich sein bei seinem Mühen, so ist das eine Gottesgabe.
[5.19] Denn er denkt nicht viel an die Kürze seines
Lebens, weil Gott sein Herz erfreut.
[6.1] Es ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne,
und es liegt schwer auf den Menschen:
[6.2] Da ist einer, dem Gott Reichtum, Güter und Ehre
gegeben hat, und es mangelt ihm nichts, was sein Herz begehrt;
aber Gott gibt ihm doch nicht Macht, es zu genießen, sondern ein
Fremder verzehrt es. Das ist auch eitel und ein schlimmes Leiden.
[6.3] Wenn einer auch hundert Kinder zeugte und hätte ein
so langes Leben, daß er sehr alt würde, aber er genösse das
Gute nicht und bliebe ohne Grab, von dem sage ich: Eine
Fehlgeburt hat es besser als er.
[6.4] Denn sie kommt ohne Leben, und in Finsternis fährt
sie dahin, und ihr Name bleibt von Finsternis bedeckt,
[6.5] auch hat sie die Sonne nicht gesehen noch gekannt;
so hat sie mehr Ruhe als jener.
[6.6] Und ob er auch zweitausend Jahre lebte und hätte
nichts Gutes genossen: fährt nicht alles dahin an einen Ort?
[6.7] Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, aber
sein Verlangen bleibt ungestillt.
[6.8] Denn was hat ein Weiser dem Toren voraus? Was
hilft's dem Armen, daß er versteht, unter den Lebenden zu
wandeln?
[6.9] Es ist besser, zu gebrauchen, was vor Augen ist, als
nach anderm zu verlangen. Das ist auch eitel und Haschen nach
Wind.
[Note: Der Mensch hat keine Macht über sein Leben][6.10]
Was da ist, ist längst mit Namen genannt, und bestimmt ist, was
ein Mensch sein wird. Darum kann er nicht hadern mit dem, der ihm
zu mächtig ist.
[6.11] Denn je mehr Worte, desto mehr Eitelkeit; was hat
der Mensch davon?
[6.12] *Denn wer weiß, was dem Menschen nützlich ist im
Leben, in seinen kurzen, eitlen Tagen, die er verbringt wie einen
Schatten? Oder wer will dem Menschen sagen, was nach ihm kommen
wird unter der Sonne?
[7.1] Ein guter Ruf ist besser als gute Salbe und der
Tag des Todes besser als der Tag der Geburt.
[7.2] Es ist besser, in ein Haus zu gehen, wo man trauert,
als in ein Haus, wo man feiert; denn da zeigt sich das Ende aller
Menschen, und der Lebende nehme es zu Herzen!
[7.3] Trauern ist besser als Lachen; denn durch Trauern
wird das Herz gebessert.
[7.4] Das Herz der Weisen ist dort, wo man trauert, aber
das Herz der Toren dort, wo man sich freut.
[7.5] Es ist besser, das Schelten des Weisen zu hören als
den Gesang der Toren.
[7.6] Denn wie das Krachen der Dornen unter den Töpfen,
so ist das Lachen der Toren; auch das ist eitel.
[7.7] Unrechter Gewinn macht den Weisen zum Toren, und
Bestechung verdirbt das Herz.
[7.8] Der Ausgang einer Sache ist besser als ihr Anfang.
Ein Geduldiger ist besser als ein Hochmütiger.
[7.9] Sei nicht schnell, dich zu ärgern; denn Ärger ruht
im Herzen des Toren.
[7.10] Sprich nicht: Wie kommt's, daß die früheren Tage
besser waren als diese? Denn du fragst das nicht in Weisheit.
[7.11] Weisheit ist gut mit einem Erbgut und hilft denen,
die die Sonne sehen.
[7.12] Denn wie Geld beschirmt, so beschirmt auch
Weisheit; aber die Weisheit erhält das Leben dem, der sie hat.
[7.13] Sieh an die Werke Gottes; denn wer kann das gerade
machen, was er krümmt?
[7.14] Am guten Tage sei guter Dinge, und am bösen Tag
bedenke: diesen hat Gott geschaffen wie jenen, damit der Mensch
nicht wissen soll, was künftig ist.
[7.15] Dies alles hab ich gesehen in den Tagen meines
eitlen Lebens: Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner
Gerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner
Bosheit.
[7.16] Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise,
damit du dich nicht zugrunde richtest.
[7.17] Sei nicht allzu gottlos und sei kein Tor, damit du
nicht sterbest vor deiner Zeit.
[7.18] Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und
auch jenes nicht aus der Hand läßt; denn wer Gott fürchtet,
der entgeht dem allen.
[7.19] Die Weisheit macht den Weisen stärker als zehn
Gewaltige, die in der Stadt sind.
[7.20] Denn es ist kein Mensch so gerecht auf Erden, daß
er nur Gutes tue und nicht sündige.
[7.21] Nimm auch nicht zu Herzen alles, was man sagt, daß
du nicht hören müssest, wie dein Knecht dir flucht;
[7.22] denn dein Herz weiß, daß du andern auch oftmals
geflucht hast.
[7.23] Das alles hab ich versucht mit der Weisheit. Ich
dachte, ich will weise werden, sie blieb aber ferne von mir.
[7.24] Alles, was da ist, das ist fern und ist sehr tief;
wer will's finden?
[7.25] Ich richtete meinen Sinn darauf, zu erfahren und zu
erforschen und zu suchen Weisheit und Einsicht, zu erkennen, daß
Gottlosigkeit Torheit ist und Narrheit Tollheit.
[7.26] Und ich fand, bitterer als der Tod sei ein Weib,
das ein Fangnetz ist und Stricke ihr Herz und Fesseln ihre
Hände. Wer Gott gefällt, der wird ihr entrinnen; aber der
Sünder wird durch sie gefangen.
[7.27] Schau, das habe ich gefunden, spricht der Prediger,
eins nach dem andern, daß ich Erkenntnis fände.
[7.28] Und ich suchte immerfort und hab's nicht gefunden:
unter tausend habe ich einen Mann gefunden, aber ein Weib hab ich
unter allen nicht gefunden.
[7.29] Schau, allein das hab ich gefunden: Gott hat den
Menschen aufrichtig gemacht; aber sie suchen viele Künste.
[8.1] Wer ist wie der Weise, und wer versteht etwas zu
deuten? Die Weisheit der Menschen erleuchtet sein Angesicht; aber
ein freches Angesicht wird gehaßt.
[Note: Das Unrecht in der Welt und das verborgene Walten Gottes][8.2]
Achte auf das Wort des Königs; aber wenn du einen Eid bei Gott
leisten sollst,
[8.3] so übereile dich nicht! Geh von seinem Angesicht
weg und halte dich nicht zu einer bösen Sache; denn er tut
alles, was er will.
[8.4] In des Königs Wort ist Gewalt, und wer darf zu ihm
sagen: Was machst du?
[8.5] Wer das Gebot hält, der will nichts von einer
bösen Sache wissen; denn des Weisen Herz weiß um Zeit und
Gericht.
[8.6] Denn jedes Vorhaben hat seine Zeit und sein Gericht,
und des Menschen Bosheit liegt schwer auf ihm.
[8.7] Denn er weiß nicht, was geschehen wird, und wer
will ihm sagen, wie es werden wird?
[8.8] Der Mensch hat keine Macht, den Wind aufzuhalten,
und hat keine Macht über den Tag des Todes, und keiner bleibt
verschont im Krieg, und das gottlose Treiben rettet den Gottlosen
nicht.
[8.9] Das alles hab ich gesehen und richtete mein Herz auf
alles Tun, das unter der Sonne geschieht zur Zeit, da ein Mensch
herrscht über den andern zu seinem Unglück.
[8.10] Und weiter sah ich Gottlose, die begraben wurden
und zur Ruhe kamen; aber die recht getan hatten, mußten hinweg
von heiliger Stätte und wurden vergessen in der Stadt. Das ist
auch eitel.
[8.11] Weil das Urteil über böses Tun nicht sogleich
ergeht, wird das Herz der Menschen voll Begier, Böses zu tun.
[8.12] Wenn ein Sünder auch hundertmal Böses tut und
lange lebt, so weiß ich doch, daß es wohlgehen wird denen, die
Gott fürchten, die sein Angesicht scheuen.
[8.13] Aber dem Gottlosen wird es nicht wohlgehen, und wie
ein Schatten werden nicht lange leben, die sich vor Gott nicht
fürchten.
[8.14] Es ist eitel, was auf Erden geschieht: es gibt
Gerechte, denen geht es, als hätten sie Werke der Gottlosen
getan, und es gibt Gottlose, denen geht es, als hätten sie Werke
der Gerechten getan. Ich sprach: Das ist auch eitel.
[8.15] Darum pries ich die Freude, daß der Mensch nichts
Besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und
fröhlich zu sein. Das bleibt ihm bei seinem Mühen sein Leben
lang, das Gott ihm gibt unter der Sonne.
[8.16] Ich richtete mein Herz darauf, zu erkennen die
Weisheit und zu schauen die Mühe, die auf Erden geschieht, daß
einer weder Tag noch Nacht Schlaf bekommt in seine Augen.
[8.17] Und ich sah alles Tun Gottes, daß ein Mensch das
Tun nicht ergründen kann, das unter der Sonne geschieht. Und je
mehr der Mensch sich müht, zu suchen, desto weniger findet er.
Und auch wenn der Weise meint: "Ich weiß es", so kann
er's doch nicht finden.
[9.1] Denn ich habe das alles zu Herzen genommen, um
dies zu erforschen: Gerechte und Weise und ihr Tun sind in Gottes
Hand. Auch über Liebe und Haß bestimmt der Mensch nicht; alles
ist vor ihm festgelegt.
[9.2] Es begegnet dasselbe dem einen wie dem andern: dem
Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem
Unreinen; dem, der opfert, wie dem, der nicht opfert. Wie es dem
Guten geht, so geht's auch dem Sünder. Wie es dem geht, der
schwört, so geht's auch dem, der den Eid scheut.
[9.3] Das ist das Unglück bei allem, was unter der Sonne
geschieht, daß es dem einen geht wie dem andern. Und dazu ist
das Herz der Menschen voll Bosheit, und Torheit ist in ihrem
Herzen, solange sie leben; danach müssen sie sterben.
[9.4] Denn wer noch bei den Lebenden weilt, der hat
Hoffnung; denn ein lebender Hund ist besser als ein toter Löwe.
[9.5] Denn die Lebenden wissen, daß sie sterben werden,
die Toten aber wissen nichts; sie haben auch keinen Lohn mehr,
denn ihr Andenken ist vergessen.
[9.6] Ihr Lieben und ihr Hassen und ihr Eifern ist längst
dahin; sie haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter
der Sonne geschieht.
[9.7] So geh hin und iß dein Brot mit Freuden, trink
deinen Wein mit gutem Mut; denn dies dein Tun hat Gott schon
längst gefallen.
[9.8] Laß deine Kleider immer weiß sein und laß deinem
Haupte Salbe nicht mangeln.
[9.9] Genieße das Leben mit deinem Weibe, das du
liebhast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der
Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner
Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne.
[9.10] Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit
deiner Kraft, das tu; denn bei den Toten, zu denen du fährst,
gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit.
[Note: Wertlosigkeit der Weisheit][9.11] Wiederum sah ich,
wie es unter der Sonne zugeht: zum Laufen hilft nicht schnell
sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht
geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; daß einer
angenehm sei, dazu hilft nicht, daß er etwas gut kann, sondern
alles liegt an Zeit und Glück.
[9.12] Auch weiß der Mensch seine Zeit nicht, sondern wie
die Fische gefangen werden mit dem verderblichen Netz und wie die
Vögel mit dem Garn gefangen werden, so werden auch die Menschen
verstrickt zur bösen Zeit, wenn sie plötzlich über sie fällt.
[9.13] Ich habe unter der Sonne auch diese Weisheit
gesehen, die mich groß dünkte:
[9.14] Da war eine kleine Stadt und wenig Männer darin,
und es kam ein großer König, der belagerte sie und baute große
Bollwerke gegen sie.
[9.15] Und es fand sich darin ein armer, weiser Mann, der
hätte die Stadt retten können durch seine Weisheit; aber kein
Mensch dachte an diesen armen Mann.
[9.16] Da sprach ich: Weisheit ist zwar besser als
Stärke, doch des Armen Weisheit wird verachtet und auf seine
Worte hört man nicht.
[9.17] Der Weisen Worte, in Ruhe vernommen, sind besser
als des Herrschers Schreien unter den Törichten.
[9.18] Weisheit ist besser als Kriegswaffen; aber ein
einziger Bösewicht verdirbt viel Gutes.
[10.1] Tote Fliegen verderben gute Salben. Ein wenig
Torheit wiegt schwerer als Weisheit und Ehre.
[10.2] Des Weisen Herz ist zu seiner Rechten, aber des
Toren Herz ist zu seiner Linken.
[10.3] Auch wenn der Tor auf der Straße geht, fehlt es
ihm an Verstand, doch er hält jeden andern für einen Toren.
[10.4] Wenn des Herrschers Zorn wider dich ergeht, so
verlaß deine Stätte nicht; denn Gelassenheit wendet großes
Unheil ab.
[10.5] Dies ist ein Unglück, das ich sah unter der Sonne,
gleich einem Versehen, das vom Gewaltigen ausgeht:
[10.6] Ein Tor sitzt in großer Würde, und Reiche müssen
in Niedrigkeit sitzen.
[10.7] Ich sah Knechte auf Rossen und Fürsten zu Fuß
gehen wie Knechte.
[10.8] Wer eine Grube gräbt, der kann selbst
hineinfallen, und wer eine Mauer einreißt, den kann eine
Schlange beißen.
[10.9] Wer Steine bricht, der kann sich dabei wehe tun,
und wer Holz spaltet, der kann dabei verletzt werden.
[10.10] Wenn ein Eisen stumpf wird und an der Schneide
ungeschliffen bleibt, muß man mit ganzer Kraft arbeiten. Aber
Weisheit bringt Vorteil und Gewinn.
[10.11] Wenn die Schlange beißt vor der Beschwörung, so
hat der Beschwörer keinen Vorteil.
[10.12] Die Worte aus dem Munde des Weisen bringen ihm
Gunst; aber des Toren Lippen verschlingen ihn selber.
[10.13] Der Anfang seiner Worte ist Narrheit und das Ende
verderbliche Torheit.
[10.14] Der Tor macht viele Worte; aber der Mensch weiß
nicht, was sein wird, und wer will ihm sagen, was nach ihm werden
wird?
[10.15] Die Arbeit ermüdet den Toren, der nicht einmal
weiß, in die Stadt zu gehen.
[10.16] Weh dir, Land, dessen König ein Kind ist und
dessen Fürsten schon in der Frühe tafeln!
[10.17] Wohl dir, Land, dessen König ein Edler ist und
dessen Fürsten zur rechten Zeit tafeln als ehrbare Männer und
nicht als Zecher.
[10.18] Durch Faulheit sinken die Balken, und durch
lässige Hände tropft es im Haus.
[10.19] Man hält Mahlzeiten, um zu lachen, und der Wein
erfreut das Leben, und das Geld muß alles zuwege bringen.
[10.20] Fluche dem König auch nicht in Gedanken und
fluche dem Reichen auch nicht in deiner Schlafkammer; denn die
Vögel des Himmels tragen die Stimme fort, und die Fittiche
haben, sagen's weiter.
[11.1] Laß dein Brot über das Wasser fahren; denn du
wirst es finden nach langer Zeit.
[11.2] Verteil es unter sieben oder unter acht; denn du
weißt nicht, was für Unglück auf Erden kommen wird.
[11.3] Wenn die Wolken voll sind, so geben sie Regen auf
die Erde, und wenn der Baum fällt - er falle nach Süden oder
Norden zu -, wohin er fällt, da bleibt er liegen.
[11.4] Wer auf den Wind achtet, der sät nicht, und wer
auf die Wolken sieht, der erntet nicht.
[11.5] Gleichwie du nicht weißt, welchen Weg der Wind
nimmt und wie die Gebeine im Mutterleibe bereitet werden, so
kannst du auch Gottes Tun nicht wissen, der alles wirkt.
[11.6] Am Morgen säe deinen Samen, und laß deine Hand
bis zum Abend nicht ruhen; denn du weißt nicht, was geraten
wird, ob dies oder das, oder ob beides miteinander gut gerät.
[11.7] Es ist das Licht süß, und den Augen lieblich, die
Sonne zu sehen.
[11.8] Denn wenn ein Mensch viele Jahre lebt, so sei er
fröhlich in ihnen allen und denke an die finstern Tage, daß es
viele sein werden; denn alles, was kommt, ist eitel.
[Note: Freue dich deiner Jugend, ehe Alter und Tod kommen!][11.9]
So freue dich, Jüngling, in deiner Jugend und laß dein Herz
guter Dinge sein in deinen jungen Tagen. Tu, was dein Herz
gelüstet und deinen Augen gefällt; aber wisse, daß dich Gott
um das alles vor Gericht ziehen wird.
[11.10] Laß den Unmut fern sein von deinem Herzen und
halte fern das Übel von deinem Leibe; denn Kindheit und Jugend
sind eitel.
[12.1] Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe
die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen, da du wirst
sagen: "Sie gefallen mir nicht";
[12.2] ehe die Sonne und das Licht, Mond und Sterne
finster werden und Wolken wiederkommen nach dem Regen, -
[12.3] *zur Zeit, wenn die Hüter des Hauses zittern und
die Starken sich krümmen und müßig stehen die Müllerinnen,
weil es so wenige geworden sind, und wenn finster werden, die
durch die Fenster sehen, *Bilder für das Altern der Menschen.
[12.4] und wenn die Türen an der Gasse sich schließen,
daß die Stimme der Mühle leiser wird, und wenn sie sich hebt,
wie wenn ein Vogel singt, und alle Töchter des Gesanges sich
neigen;
[12.5] wenn man vor Höhen sich fürchtet und sich
ängstigt auf dem Wege, wenn der Mandelbaum blüht und die
Heuschrecke sich belädt und die Kaper aufbricht; denn der Mensch
fährt dahin, wo er ewig bleibt, und die Klageleute gehen umher
auf der Gasse; -
[12.6] ehe der silberne Strick zerreißt und die goldene
Schale zerbricht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das
Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.
[12.7] Denn der Staub muß wieder zur Erde kommen, wie er
gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.
[12.8] Es ist alles ganz eitel, spricht der Prediger, ganz
eitel.
[Note: Nachwort über den Prediger][12.9] Es bleibt noch
übrig zu sagen: Der Prediger war ein Weiser und lehrte auch das
Volk gute Lehre, und er erwog und forschte und dichtete viele
Sprüche.
[12.10] Er suchte, daß er fände angenehme Worte und
schriebe recht die Worte der Wahrheit.
[12.11] Die Worte der Weisen sind wie Stacheln, und wie
eingeschlagene Nägel sind die einzelnen Sprüche; sie sind von
einem Hirten gegeben.
[12.12] Und über dem allen, mein Sohn, laß dich warnen;
denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren
macht den Leib müde.
[12.13] Laßt uns die Hauptsumme aller Lehre hören:
Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle
Menschen.
[12.14] Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen,
alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse.