[1.1] Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob. Der
war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied das Böse.
[1.2] Und er zeugte sieben Söhne und drei Töchter,
[1.3] und er besaß siebentausend Schafe, dreitausend
Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen und
sehr viel Gesinde, und er war reicher als alle, die im Osten
wohnten.
[1.4] Und seine Söhne gingen hin und machten ein
Festmahl, ein jeder in seinem Hause an seinem Tag, und sie
sandten hin und luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu
essen und zu trinken.
[1.5] Und wenn die Tage des Mahles um waren, sandte Hiob
hin und heiligte sie und machte sich früh am Morgen auf und
opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl; denn Hiob dachte: Meine
Söhne könnten gesündigt und Gott abgesagt haben in ihrem
Herzen. So tat Hiob allezeit.
[1.6] Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne*
kamen und vor den HERRN traten, kam auch der Satan unter ihnen.
[1.7] Der HERR aber sprach zu dem Satan: Wo kommst du her?
Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin
und her durchzogen.
[1.8] Der HERR sprach zum Satan: Hast du achtgehabt auf
meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden,
fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse.
[1.9] Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Meinst
du, daß Hiob Gott umsonst fürchtet?
[1.10] Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat,
ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet,
und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande.
[1.11] Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was
er hat: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen!
[1.12] Der HERR sprach zum Satan: Siehe, alles, was er
hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht.
Da ging der Satan hinaus von dem HERRN.
[1.13] An dem Tage aber, da seine Söhne und Töchter
aßen und Wein tranken im Hause ihres Bruders, des Erstgeborenen,
[1.14] kam ein Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder
pflügten, und die Eselinnen gingen neben ihnen auf der Weide,
[1.15] da fielen die aus Saba ein und nahmen sie weg und
erschlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts, und ich
allein bin entronnen, daß ich dir's ansagte.
[1.16] Als der noch redete, kam ein anderer und sprach:
Feuer Gottes fiel vom Himmel und traf Schafe und Knechte und
verzehrte sie, und ich allein bin entronnen, daß ich dir's
ansagte.
[1.17] Als der noch redete, kam einer und sprach: Die
Chaldäer machten drei Abteilungen und fielen über die Kamele
her und nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit der
Schärfe des Schwerts, und ich allein bin entronnen, daß ich
dir's ansagte.
[1.18] Als der noch redete, kam einer und sprach: Deine
Söhne und Töchter aßen und tranken im Hause ihres Bruders, des
Erstgeborenen,
[1.19] und siehe, da kam ein großer Wind von der Wüste
her und stieß an die vier Ecken des Hauses; da fiel es auf die
jungen Leute, daß sie starben, und ich allein bin entronnen,
daß ich dir's ansagte.
[1.20] Da stand Hiob auf und zerriß sein Kleid und schor
sein Haupt und fiel auf die Erde und neigte sich tief
[1.21] und sprach: Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe
gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat's
gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!
-
[1.22] In diesem allen sündigte Hiob nicht und tat nichts
Törichtes wider Gott.
[2.1] Es begab sich aber eines Tages, da die
Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, daß auch der Satan
unter ihnen kam und vor den HERRN trat.
[2.2] Da sprach der HERR zu dem Satan: Wo kommst du her?
Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin
und her durchzogen.
[2.3] Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du acht auf
meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden
nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das
Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast
mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
[2.4] Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für
Haut! und alles, was ein Mann hat, läßt er für sein Leben.
[2.5] Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein
und Fleisch an: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen!
[2.6] Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in
deiner Hand, doch schone sein Leben!
[2.7] Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und
schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf
seinen Scheitel.
[2.8] Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß
in der Asche.
[2.9] Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest
an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb!
[2.10] Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die
törichten Weiber reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und
sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen
versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
[Note: Hiob wird von drei Freunden besucht][2.11] Als aber
die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn
gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von
Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie waren
eins geworden hinzugehen, um ihn zu beklagen und zu trösten.
[2.12] Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne,
erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und
ein jeder zerriß sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf
ihr Haupt
[2.13] und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und
sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, daß
der Schmerz sehr groß war.
[3.1] Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte
seinen Tag.
[3.2] Und Hiob sprach:
[3.3] Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin,
und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt!
[3.4] Jener Tag soll finster sein, und Gott droben frage
nicht nach ihm! Kein Glanz soll über ihm scheinen!
[3.5] Finsternis und Dunkel sollen ihn überwältigen und
düstere Wolken über ihm bleiben, und Verfinsterung am Tage
mache ihn schrecklich!
[3.6] Jene Nacht - das Dunkel nehme sie hinweg, sie soll
sich nicht unter den Tagen des Jahres freuen noch in die Zahl der
Monde kommen!
[3.7] Siehe, jene Nacht sei unfruchtbar und kein Jauchzen
darin!
[3.8] Es sollen sie verfluchen, die einen Tag verfluchen
können, und die da kundig sind, den Leviatan* zu wecken! *d. i.
ein Riesentier, nach der Art des Krokodils (40,25).
[3.9] Ihre Sterne sollen finster sein in ihrer Dämmerung.
Die Nacht hoffe aufs Licht, doch es komme nicht, und sie sehe
nicht die Wimpern der Morgenröte,
[3.10] weil sie nicht verschlossen hat den Leib meiner
Mutter und nicht verborgen das Unglück vor meinen Augen!
[3.11] Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt?
Warum bin ich nicht umgekommen, als ich aus dem Mutterleib kam?
[3.12] Warum hat man mich auf den Schoß genommen? Warum
bin ich an den Brüsten gesäugt?
[3.13] Dann läge ich da und wäre still, dann schliefe
ich und hätte Ruhe
[3.14] mit den Königen und Ratsherren auf Erden, die sich
Grüfte erbauten,
[3.15] oder mit den Fürsten, die Gold hatten und deren
Häuser voll Silber waren;
[3.16] wie eine Fehlgeburt, die man verscharrt hat, hätte
ich nie gelebt, wie Kinder, die das Licht nie gesehen haben.
[3.17] Dort haben die Gottlosen aufgehört mit Toben; dort
ruhen, die viel Mühe gehabt haben.
[3.18] Da haben die Gefangenen allesamt Frieden und hören
nicht die Stimme des Treibers.
[3.19] Da sind klein und groß gleich, und der Knecht ist
frei von seinem Herrn.
[3.20] Warum gibt Gott das Licht dem Mühseligen und das
Leben den betrübten Herzen
[3.21] - die auf den Tod warten, und er kommt nicht, und
nach ihm suchen mehr als nach Schätzen,
[3.22] die sich sehr freuten und fröhlich wären, wenn
sie ein Grab bekämen -,
[3.23] dem Mann, dessen Weg verborgen ist, dem Gott den
Pfad ringsum verzäunt hat?
[3.24] Denn wenn ich essen soll, muß ich seufzen, und
mein Schreien fährt heraus wie Wasser.
[3.25] Denn was ich gefürchtet habe, ist über mich
gekommen, und wovor mir graute, hat mich getroffen.
[3.26] Ich hatte keinen Frieden, keine Rast, keine Ruhe,
da kam schon wieder ein Ungemach!
[4.1] Da hob Elifas von Teman an und sprach:
[4.2] Du hast's vielleicht nicht gern, wenn man versucht,
mit dir zu reden; aber Worte zurückhalten, wer kann's?
[4.3] Siehe, du hast viele unterwiesen und matte Hände
gestärkt;
[4.4] deine Rede hat die Strauchelnden aufgerichtet, und
die bebenden Knie hast du gekräftigt.
[4.5] Nun es aber an dich kommt, wirst du weich, und nun
es dich trifft, erschrickst du!
[4.6] Ist nicht deine Gottesfurcht dein Trost, und die
Unsträflichkeit deiner Wege deine Hoffnung?
[4.7] Bedenke doch: Wo ist ein Unschuldiger umgekommen?
Oder wo wurden die Gerechten je vertilgt?
[4.8] Wohl aber habe ich gesehen: Die da Frevel pflügten
und Unheil säten, ernteten es auch ein.
[4.9] Durch den Odem Gottes sind sie umgekommen und vom
Schnauben seines Zorns vertilgt.
[4.10] Das Brüllen der Löwen und die Stimme der Leuen
und die Zähne der jungen Löwen sind dahin.
[4.11] Der Löwe kommt um, wenn er keine Beute hat, und
die Jungen der Löwin werden zerstreut.
[4.12] Zu mir ist heimlich ein Wort gekommen, und von ihm
hat mein Ohr ein Flüstern empfangen
[4.13] beim Nachsinnen über Gesichte in der Nacht, wenn
tiefer Schlaf auf die Leute fällt;
[4.14] da kam mich Furcht und Zittern an, und alle meine
Gebeine erschraken.
[4.15] Und ein Hauch fuhr an mir vorüber; es standen mir
die Haare zu Berge an meinem Leibe.
[4.16] Da stand ein Gebilde vor meinen Augen, doch ich
erkannte seine Gestalt nicht; es war eine Stille, und ich hörte
eine Stimme:
[4.17] Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott oder ein
Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?a
[4.18] Siehe, seinen Dienern traut er nicht, und seinen
Boten wirft er Torheit vor:
[4.19] wieviel mehr denen, die in Lehmhäusern wohnen und
auf Staub gegründet sind und wie Motten zerdrückt werden!
[4.20] Es währt vom Morgen bis zum Abend, so werden sie
zerschlagen, und ehe man's gewahr wird, sind sie ganz dahin.
[4.21] Ihr Zelt wird abgebrochen, und sie sterben
unversehens.
[5.1] Rufe doch, ob einer dir antwortet! Und an welchen
von den Heiligen willst du dich wenden?
[5.2] Denn einen Toren tötet der Unmut, und den
Unverständigen bringt der Eifer um.
[5.3] Ich sah einen Toren Wurzel schlagen, doch plötzlich
schwand er von seiner Stätte dahin.
[5.4] Seinen Kindern bleibt Hilfe fern, und sie werden
zerschlagen im Tor; denn kein Erretter ist da.
[5.5] Seine Ernte verzehrt der Hungrige, und auch aus den
Hecken holt er sie, und nach seinem Gut lechzen die Durstigen.
[5.6] Denn Frevel geht nicht aus der Erde hervor, und
Unheil wächst nicht aus dem Acker;
[5.7] sondern der Mensch erzeugt sich selbst das Unheil,
wie Funken hoch emporfliegen.
[5.8] Ich aber würde mich zu Gott wenden und meine Sache
vor ihn bringen,
[5.9] der große Dinge tut, die nicht zu erforschen sind,
und Wunder, die nicht zu zählen sind,
[5.10] der den Regen aufs Land gibt und Wasser kommen
läßt auf die Gefilde,
[5.11] der die Niedrigen erhöht und den Betrübten
emporhilft.
[5.12] Er macht zunichte die Pläne der Klugen, so daß
ihre Hand sie nicht ausführen kann.
[5.13] Er fängt die Weisen in ihrer Klugheit und stürzt
den Rat der Verkehrten,
[5.14] daß sie am Tage in Finsternis laufen und tappen am
Mittag wie in der Nacht.
[5.15] Er hilft dem Armen vom Schwert und den Elenden von
der Hand des Mächtigen.
[5.16] Dem Armen wird Hoffnung zuteil, und die Bosheit
muß ihren Mund zuhalten.
[5.17] Siehe, selig ist der Mensch, den Gott zurechtweist;
darum widersetze dich der Zucht des Allmächtigen nicht.
[5.18] Denn er verletzt und verbindet; er zerschlägt, und
seine Hand heilt.
[5.19] In sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in
sieben wird dich kein Übel anrühren.
[5.20] In der Hungersnot wird er dich vom Tod erlösen und
im Kriege von des Schwertes Gewalt.
[5.21] Er wird dich verbergen vor der Geißel der Zunge,
daß du dich nicht fürchten mußt, wenn Verderben kommt. Ü
[5.22] ber Verderben und Hunger wirst du lachen und dich
vor den wilden Tieren im Lande nicht fürchten.
[5.23] Denn dein Bund wird sein mit den Steinen auf dem
Felde, und die wilden Tiere werden Frieden mit dir halten,
[5.24] und du wirst erfahren, daß deine Hütte Frieden
hat, und wirst deine Stätte überschauen und nichts vermissen,
[5.25] und du wirst erfahren, daß deine Kinder sich
mehren und deine Nachkommen wie das Gras auf Erden sind,
[5.26] und du wirst im Alter zu Grabe kommen, wie Garben
eingebracht werden zur rechten Zeit.
[5.27] Siehe, das haben wir erforscht, so ist es; darauf
höre und merke du dir's.
[6.1] Hiob antwortete und sprach:
[6.2] Wenn man doch meinen Kummer wägen und mein Leiden
zugleich auf die Waage legen wollte!
[6.3] Denn nun ist es schwerer als Sand am Meer; darum
sind meine Worte noch unbedacht.
[6.4] Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir;
mein Geist muß ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes
sind auf mich gerichtet.
[6.5] Schreit denn der Wildesel, wenn er Gras hat, oder
brüllt der Stier, wenn er sein Futter hat?
[6.6] Ißt man denn Fades, ohne es zu salzen, oder hat
Eiweiß Wohlgeschmack?
[6.7] Meine Seele sträubt sich, es anzurühren; es ist,
als wäre mein Brot unrein.
[6.8] Könnte meine Bitte doch geschehen und Gott mir
geben, was ich hoffe!
[6.9] Daß mich doch Gott erschlagen wollte und seine Hand
ausstreckte und mir den Lebensfaden abschnitte!
[6.10] So hätte ich noch diesen Trost und wollte
fröhlich springen - ob auch der Schmerz mich quält ohne
Erbarmen -, daß ich nicht verleugnet habe die Worte des
Heiligen.
[6.11] Was ist meine Kraft, daß ich ausharren könnte;
und welches Ende wartet auf mich, daß ich geduldig sein sollte?
[6.12] Ist doch meine Kraft nicht aus Stein und mein
Fleisch nicht aus Erz.
[6.13] Hab ich denn keine Hilfe mehr, und gibt es keinen
Rat mehr für mich?
[6.14] Wer Barmherzigkeit seinem Nächsten verweigert, der
gibt die Furcht vor dem Allmächtigen auf.
[6.15] Meine Brüder trügen wie ein Bach, wie das Bett
der Bäche, die versickern,
[6.16] die erst trübe sind vom Eis, darin der Schnee sich
birgt,
[6.17] doch zur Zeit, wenn die Hitze kommt, versiegen sie;
wenn es heiß wird, vergehen sie von ihrer Stätte:
[6.18] Ihr Weg windet sich dahin und verläuft, sie gehen
hin ins Nichts und verschwinden.
[6.19] Die Karawanen von Tema blickten aus auf sie, die
Karawanen von Saba hofften auf sie;
[6.20] aber sie wurden zuschanden über ihrer Hoffnung und
waren betrogen, als sie dahin kamen.
[6.21] So seid ihr jetzt für mich geworden; weil ihr
Schrecknisse seht, fürchtet ihr euch.
[6.22] Hab ich denn gesagt: Schenkt mir etwas und bezahlt
für mich von eurem Vermögen
[6.23] und errettet mich aus der Hand des Feindes und
kauft mich los von der Hand der Gewalttätigen?
[6.24] Belehret mich, so will ich schweigen, und worin ich
geirrt habe, darin unterweist mich!
[6.25] Wie kräftig sind doch redliche Worte! Aber euer
Tadeln, was beweist das?
[6.26] Gedenkt ihr, Worte zu rügen? Aber die Rede eines
Verzweifelnden verhallt im Wind.
[6.27] Ihr freilich könntet wohl über eine arme Waise
das Los werfen und euren Nächsten verschachern.
[6.28] Nun aber hebt doch an und seht auf mich, ob ich
euch ins Angesicht lüge.
[6.29] Kehrt doch um, damit nicht Unrecht geschehe! Kehrt
um! Noch habe ich recht darin!
[6.30] Ist denn auf meiner Zunge Unrecht, oder sollte mein
Gaumen Böses nicht merken?
[7.1] Muß nicht der Mensch immer im Dienst stehen auf
Erden, und sind seine Tage nicht wie die eines Tagelöhners?
[7.2] Wie ein Knecht sich sehnt nach dem Schatten und ein
Tagelöhner auf seinen Lohn wartet,
[7.3] so hab ich wohl ganze Monate vergeblich gearbeitet,
und viele elende Nächte sind mir geworden.
[7.4] Wenn ich mich niederlegte, sprach ich: Wann werde
ich aufstehen? Bin ich aufgestanden, so wird mir's lang bis zum
Abend und mich quälte die Unruhe bis zur Dämmerung.
[7.5] Mein Fleisch ist um und um eine Beute des Gewürms
und faulig, meine Haut ist verschrumpft und voller Eiter.
[7.6] Meine Tage sind schneller dahingeflogen als ein
Weberschiffchen und sind vergangen ohne Hoffnung.
[7.7] Bedenke, daß mein Leben ein Hauch ist und meine
Augen nicht wieder Gutes sehen werden.
[7.8] Und kein lebendiges Auge wird mich mehr schauen;
sehen deine Augen nach mir, so bin ich nicht mehr.
[7.9] Eine Wolke vergeht und fährt dahin: so kommt nicht
wieder herauf, wer zu den Toten hinunterfährt;
[7.10] er kommt nicht zurück, und seine Stätte kennt ihn
nicht mehr.
[7.11] Darum will auch ich meinem Munde nicht wehren. Ich
will reden in der Angst meines Herzens und will klagen in der
Betrübnis meiner Seele.
[7.12] Bin ich denn das Meer oder der Drache, daß du eine
Wache gegen mich aufstellst?
[7.13] Wenn ich dachte, mein Bett soll mich trösten, mein
Lager soll mir meinen Jammer erleichtern,
[7.14] so erschrecktest du mich mit Träumen und machtest
mir Grauen durch Gesichte,
[7.15] daß ich mir wünschte, erwürgt zu sein, und den
Tod lieber hätte als meine Schmerzen.
[7.16] Ich vergehe! Ich leb' ja nicht ewig. Laß ab von
mir, denn meine Tage sind nur noch ein Hauch.
[7.17] Was ist der Mensch, daß du ihn groß achtest und
dich um ihn bekümmerst?
[7.18] Jeden Morgen suchst du ihn heim und prüfst ihn
alle Stunden.
[7.19] Warum blickst du nicht einmal von mir weg und
läßt mir keinen Atemzug Ruhe?
[7.20] Hab ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du
Menschenhüter? Warum machst du mich zum Ziel deiner Anläufe,
daß ich mir selbst eine Last bin?
[7.21] Und warum vergibst du mir meine Sünde nicht oder
läßt meine Schuld hingehen? Denn nun werde ich mich in die Erde
legen, und wenn du mich suchst, werde ich nicht mehr dasein.
[8.1] Da hob Bildad von Schuach an und sprach:
[8.2] Wie lange willst du so reden und sollen die Reden
deines Mundes so ungestüm daherfahren?
[8.3] Meinst du, daß Gott unrecht richtet oder der
Allmächtige das Recht verkehrt?
[8.4] Haben deine Söhne vor ihm gesündigt, so hat er sie
verstoßen um ihrer Sünde willen.
[8.5] Wenn du aber dich beizeiten zu Gott wendest und zu
dem Allmächtigen flehst,
[8.6] wenn du rein und fromm bist, so wird er deinetwegen
aufwachen und wird wieder aufrichten deine Wohnung, wie es dir
zusteht.
[8.7] Und was du zuerst wenig gehabt hast, wird hernach
sehr zunehmen.
[8.8] Denn frage die früheren Geschlechter und merke auf
das, was ihre Väter erforscht haben,
[8.9] denn wir sind von gestern her und wissen nichts;
unsere Tage sind ein Schatten auf Erden.
[8.10] Sie werden dich's lehren und dir sagen und ihre
Rede aus ihrem Herzen hervorbringen: "
[8.11] Kann auch Rohr aufwachsen, wo es nicht feucht ist,
oder Schilf wachsen ohne Wasser?
[8.12] Noch steht's in Blüte, bevor man es schneidet, da
verdorrt es schon vor allem Gras.
[8.13] So geht es jedem, der Gott vergißt, und die
Hoffnung des Ruchlosen wird verloren sein.
[8.14] Denn seine Zuversicht vergeht, und seine Hoffnung
ist ein Spinnweb.
[8.15] Er verläßt sich auf sein Haus, aber es hält
nicht stand; er hält sich daran, aber es bleibt nicht stehen.
[8.16] Er steht voll Saft im Sonnenschein, und seine
Reiser wachsen hinaus über seinen Garten. Ü
[8.17] ber Steinhaufen schlingen sich seine Wurzeln und
halten sich zwischen Steinen fest.
[8.18] Wenn man ihn aber vertilgt von seiner Stätte, so
wird sie ihn verleugnen, als kennte sie ihn nicht.
[8.19] Siehe, das ist das Glück seines Lebens, und aus
dem Staube werden andre wachsen. "
[8.20] Siehe, Gott verwirft die Frommen nicht und hält
die Hand der Boshaften nicht fest,
[8.21] bis er deinen Mund voll Lachens mache und deine
Lippen voll Jauchzens.
[8.22] Die dich aber hassen, müssen sich in Schmach
kleiden, und die Hütte der Gottlosen wird nicht bestehen.
[9.1] Hiob antwortete und sprach:
[9.2] Ja, ich weiß sehr gut, daß es so ist und daß ein
Mensch nicht recht behalten kann gegen Gott.
[9.3] Hat er Lust, mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf
tausend nicht eins antworten.
[9.4] Gott ist weise und mächtig; wem ist's je gelungen,
der sich gegen ihn gestellt hat?
[9.5] Er versetzt Berge, ehe sie es innewerden; er kehrt
sie um in seinem Zorn.
[9.6] Er bewegt die Erde von ihrem Ort, daß ihre Pfeiler
zittern.
[9.7] Er spricht zur Sonne, so geht sie nicht auf, und
versiegelt die Sterne.
[9.8] Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den
Wogen des Meers.
[9.9] Er macht den Wagen am Himmel und den Orion und das
Siebengestirn und die Sterne des Südens.
[9.10] Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und
Wunder, die nicht zu zählen sind.
[9.11] Siehe, er geht an mir vorüber, ohne daß ich's
gewahr werde, und wandelt vorbei, ohne daß ich's merke.
[9.12] Siehe, wenn er wegrafft, wer will ihm wehren? Wer
will zu ihm sagen: Was machst du?
[9.13] Gott wehrt seinem Zorn nicht; unter ihn mußten
sich beugen die Helfer Rahabs*.
[9.14] Wie sollte dann ich ihm antworten und Worte finden
vor ihm?
[9.15] Wenn ich auch recht habe, so kann ich ihm doch
nicht antworten, sondern ich müßte um mein Recht flehen.
[9.16] Wenn ich ihn auch anrufe, daß er mir antwortet, so
glaube ich nicht, daß er meine Stimme hört,
[9.17] vielmehr greift er nach mir im Wettersturm und
schlägt mir viele Wunden ohne Grund.
[9.18] Er läßt mich nicht Atem schöpfen, sondern
sättigt mich mit Bitternis.
[9.19] Geht es um Macht und Gewalt: Er hat sie. Geht es um
Recht: Wer will ihn vorladen?a
[9.20] Wäre ich gerecht, so müßte mich doch mein Mund
verdammen; wäre ich unschuldig, so würde er mich doch schuldig
sprechen.
[9.21] Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben;
ich verachte mein Leben.
[9.22] Es ist eins, darum sage ich: Er bringt den Frommen
um wie den Gottlosen.
[9.23] Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er
über die Verzweiflung der Unschuldigen.
[9.24] Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben, und
das Antlitz ihrer Richter verhüllt er. Wenn nicht er, wer anders
sollte es tun?
[9.25] Meine Tage sind schneller gewesen als ein Läufer;
sie sind dahingeflohen und haben nichts Gutes erlebt.
[9.26] Sie sind dahingefahren wie schnelle Schiffe, wie
ein Adler herabstößt auf die Beute.
[9.27] Wenn ich denke: Ich will meine Klage vergessen und
mein Angesicht ändern und heiter bleiben,
[9.28] so fürchte ich doch wieder alle meine Schmerzen,
weil ich weiß, daß du mich nicht unschuldig sprechen wirst.
[9.29] Ich soll ja doch schuldig sein! Warum mühe ich
mich denn so vergeblich?
[9.30] Wenn ich mich auch mit Schneewasser wüsche und
reinigte meine Hände mit Lauge,
[9.31] so wirst du mich doch eintauchen in die Grube, daß
sich meine Kleider vor mir ekeln.
[9.32] Denn er ist nicht ein Mensch wie ich, dem ich
antworten könnte, daß wir miteinander vor Gericht gingen.
[9.33] Daß es doch zwischen uns einen Schiedsmann gäbe,
der seine Hand auf uns beide legte!
[9.34] Daß er seine Rute von mir nehme und mich nicht
mehr ängstige!
[9.35] So wollte ich reden und mich nicht vor ihm
fürchten, denn ich bin mir keiner Schuld bewußt.
[10.1] Mich ekelt mein Leben an. Ich will meiner Klage
ihren Lauf lassen und reden in der Betrübnis meiner Seele
[10.2] und zu Gott sagen: Verdamme mich nicht! Laß mich
wissen, warum du mich vor Gericht ziehst.
[10.3] Gefällt dir's, daß du Gewalt tust und verwirfst
mich, den deine Hände gemacht haben, und bringst der Gottlosen
Vorhaben zu Ehren?
[10.4] Hast du denn Menschenaugen, oder siehst du, wie ein
Sterblicher sieht?
[10.5] Oder ist deine Zeit wie eines Menschen Zeit oder
deine Jahre wie eines Mannes Jahre,
[10.6] daß du nach meiner Schuld fragst und nach meiner
Sünde suchst,
[10.7] wo du doch weißt, daß ich nicht schuldig bin und
niemand da ist, der aus deiner Hand erretten kann?
[10.8] Deine Hände haben mich gebildet und bereitet;
danach hast du dich abgewandt und willst mich verderben?
[10.9] Bedenke doch, daß du mich aus Erde gemacht hast,
und läßt mich wieder zum Staub zurückkehren?
[10.10] Hast du mich nicht wie Milch hingegossen und wie
Käse gerinnen lassen?
[10.11] Du hast mir Haut und Fleisch angezogen; mit
Knochen und Sehnen hast du mich zusammengefügt;
[10.12] Leben und Wohltat hast du an mir getan, und deine
Obhut hat meinen Odem bewahrt.
[10.13] Aber du verbargst in deinem Herzen - ich weiß, du
hattest das im Sinn -,
[10.14] daß du darauf achten wolltest, wenn ich
sündigte, und mich von meiner Schuld nicht lossprechen.
[10.15] Wäre ich schuldig, dann wehe mir! Und wäre ich
schuldlos, so dürfte ich doch mein Haupt nicht erheben,
gesättigt mit Schmach und getränkt mit Elend.
[10.16] Und wenn ich es aufrichtete, so würdest du mich
jagen wie ein Löwe und wiederum erschreckend an mir handeln.
[10.17] Du würdest immer neue Zeugen gegen mich stellen
und deinen Zorn auf mich noch mehren und immer neue Heerhaufen
gegen mich senden.
[10.18] Warum hast du mich aus meiner Mutter Leib kommen
lassen? Ach daß ich umgekommen wäre und mich nie ein Auge
gesehen hätte!a
[10.19] So wäre ich wie die, die nie gewesen sind, vom
Mutterleib weg zum Grabe gebracht.
[10.20] Ist denn mein Leben nicht kurz? So höre auf und
laß ab von mir, daß ich ein wenig erquickt werde,
[10.21] ehe denn ich hingehe - und komme nicht zurück -
ins Land der Finsternis und des Dunkels,
[10.22] ins Land, wo es stockfinster ist und dunkel ohne
alle Ordnung, und wenn's hell wird, so ist es immer noch
Finsternis.
[11.1] Da hob Zofar von Naama an und sprach:
[11.2] Muß langes Gerede ohne Antwort bleiben? Muß denn
ein Schwätzer immer recht haben?
[11.3] Müssen Männer zu deinem leeren Gerede schweigen,
daß du spottest und niemand dich beschämt?
[11.4] Du sprichst: "Meine Rede ist rein, und lauter
bin ich vor deinen Augen. "a
[11.5] Ach, daß Gott mit dir redete und täte seine
Lippen auf
[11.6] und zeigte dir die Tiefen der Weisheit - denn sie
ist zu wunderbar für jede Erkenntnis -, damit du weißt, daß er
noch nicht an alle deine Sünden denkt.
[11.7] Meinst du, daß du weißt, was Gott weiß, oder
kannst du alles so vollkommen treffen wie der Allmächtige?
[11.8] Die Weisheit ist höher als der Himmel: was willst
du tun?, tiefer als die Hölle: was kannst du wissen?,
[11.9] länger als die Erde und breiter als das Meer:
[11.10] wenn er daherfährt und gefangen legt und Gericht
hält - wer will's ihm wehren?
[11.11] Denn er kennt die heillosen Leute; er sieht den
Frevel und sollte es nicht merken?
[11.12] Kann ein Hohlkopf verständig werden, kann ein
junger Wildesel als Mensch zur Welt kommen?
[11.13] Wenn aber du dein Herz auf ihn richtest und deine
Hände zu ihm ausbreitest,
[11.14] wenn du den Frevel in deiner Hand von dir wegtust,
daß in deiner Hütte kein Unrecht bliebe:
[11.15] so könntest du dein Antlitz aufheben ohne Tadel
und würdest fest sein und dich nicht fürchten.
[11.16] Dann würdest du alle Mühsal vergessen und so
wenig daran denken wie an Wasser, das verrinnt,
[11.17] und dein Leben würde aufgehen wie der Mittag, und
das Finstre würde ein lichter Morgen werden,
[11.18] und du dürftest dich trösten, daß Hoffnung da
ist, würdest rings um dich blicken und dich in Sicherheit
schlafen legen,
[11.19] würdest ruhen, und niemand würde dich
aufschrecken, und viele würden deine Gunst erbitten.
[11.20] Aber die Augen der Gottlosen werden verschmachten,
und sie werden nicht entrinnen können, und als ihre Hoffnung
bleibt, die Seele auszuhauchen.
[12.1] Da antwortete Hiob und sprach:
[12.2] Ja, ihr seid die Leute, mit euch wird die Weisheit
sterben!
[12.3] Ich hab ebenso Verstand wie ihr und bin nicht
geringer als ihr; wer wüßte das nicht?
[12.4] Ich muß von meinem Nächsten verlacht sein, der
ich Gott anrief und den er erhörte. Der Gerechte und Fromme muß
verlacht sein.
[12.5] Dem Unglück gebührt Verachtung, so meint der
Sichere; ein Stoß denen, deren Fuß schon wankt!
[12.6] Die Hütten der Verwüster stehen ganz sicher, und
Ruhe haben, die wider Gott toben, die Gott in ihrer Faust
führen.
[12.7] Frage doch das Vieh, das wird dich's lehren, und
die Vögel unter dem Himmel, die werden dir's sagen,
[12.8] oder die Sträucher der Erde, die werden dich's
lehren, und die Fische im Meer werden dir's erzählen.
[12.9] Wer erkennte nicht an dem allen, daß des HERRN
Hand das gemacht hat,
[12.10] daß in seiner Hand ist die Seele von allem, was
lebt, und der Lebensodem aller Menschen?
[12.11] Prüft nicht das Ohr die Rede, wie der Mund die
Speise schmeckt?
[12.12] Bei den Großvätern nur soll Weisheit sein und
Verstand nur bei den Alten?a
[12.13] Bei Gott ist Weisheit und Gewalt, sein ist Rat und
Verstand.
[12.14] Siehe, wenn er zerbricht, so hilft kein Bauen;
wenn er jemand einschließt, kann niemand aufmachen.
[12.15] Siehe, wenn er das Wasser zurückhält, so wird
alles dürr, und wenn er's losläßt, so wühlt es das Land um.
[12.16] Bei ihm ist Kraft und Einsicht. Sein ist, der da
irrt und der irreführt.
[12.17] Er führt die Ratsherren gefangen und macht die
Richter zu Toren.
[12.18] Er macht frei von den Banden der Könige und
umgürtet Lenden mit einem Gurt.
[12.19] Er führt die Priester barfuß davon und bringt zu
Fall die alten Geschlechter.
[12.20] Er entzieht die Sprache den Verläßlichen und
nimmt weg den Verstand der Alten.
[12.21] Er schüttet Verachtung auf die Fürsten und zieht
den Gewaltigen die Rüstung aus.
[12.22] Er öffnet die finstern Schluchten und bringt
heraus das Dunkel ans Licht.
[12.23] Er macht Völker groß und bringt sie wieder um;
er breitet ein Volk aus und treibt's wieder weg.
[12.24] Er nimmt den Häuptern des Volks im Lande den Mut
und führt sie irre, wo kein Weg ist,
[12.25] daß sie in der Finsternis tappen ohne Licht, und
macht sie irre wie die Trunkenen.
[13.1] Siehe, das hat alles mein Auge gesehen und mein
Ohr gehört, und ich hab's verstanden.
[13.2] Was ihr wißt, das weiß ich auch, und ich bin
nicht geringer als ihr.
[13.3] Doch ich wollte gern zu dem Allmächtigen reden und
wollte rechten mit Gott.
[13.4] Aber ihr seid Lügentüncher und seid alle unnütze
Ärzte.
[13.5] Wollte Gott, daß ihr geschwiegen hättet, so
wäret ihr weise geblieben.
[13.6] Hört doch, wie ich mich verantworte, und merkt auf
die Streitsache, von der ich rede!
[13.7] Wollt ihr Gott verteidigen mit Unrecht und Trug
für ihn reden?
[13.8] Wollt ihr für ihn Partei nehmen? Wollt ihr Gottes
Sache vertreten?
[13.9] Wird's euch auch wohlgehen, wenn er euch verhören
wird? Meint ihr, daß ihr ihn täuschen werdet, wie man einen
Menschen täuscht?
[13.10] Er wird euch hart zurechtweisen, wenn ihr heimlich
Partei ergreift.
[13.11] Werdet ihr euch nicht entsetzen, wenn er sich
erhebt, und wird sein Schrecken nicht über euch fallen?
[13.12] Was ihr zu bedenken gebt, sind Sprüche aus Asche;
eure Bollwerke werden zu Lehmhaufen.
[13.13] Schweigt still und laßt mich reden; es komme
über mich, was da will.
[13.14] Was soll ich mein Fleisch mit meinen Zähnen
festhalten und mein Leben aufs Spiel setzen?
[13.15] Siehe, er wird mich doch umbringen, und ich habe
nichts zu hoffen; doch will ich meine Wege vor ihm verantworten.
[13.16] Auch das muß mir zum Heil sein; denn es kommt
kein Ruchloser vor ihn.
[13.17] Hört meine Rede und, was ich darlege, mit euren
Ohren!
[13.18] Siehe, ich bin zum Rechtsstreit gerüstet; ich
weiß, daß ich recht behalten werde.
[13.19] Wer ist, der mit mir rechten könnte? Denn dann
wollte ich schweigen und zugrunde gehen.
[13.20] Nur zweierlei tu mir nicht, so will ich mich vor
dir nicht verbergen:
[13.21] laß deine Hand fern von mir sein, und dein
Schrecken erschrecke mich nicht;
[13.22] dann rufe, ich will dir antworten, oder ich will
reden, dann antworte du mir!
[13.23] Wie groß ist meine Schuld und Sünde? Laß mich
wissen meine Übertretung und Sünde.
[13.24] Warum verbirgst du dein Antlitz und hältst mich
für deinen Feind?
[13.25] Willst du ein verwehendes Blatt schrecken und
einen dürren Halm verfolgen,
[13.26] daß du so Bitteres über mich verhängst und
über mich bringst die Sünden meiner Jugend?
[13.27] Du hast meinen Fuß in den Block gelegt und hast
acht auf alle meine Pfade und siehst auf die Fußtapfen meiner
Füße,
[13.28] der ich doch wie Moder vergehe und wie ein Kleid,
das die Motten fressen.
[14.1] Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit
und ist voll Unruhe,
[14.2] geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie
ein Schatten und bleibt nicht.
[14.3] Doch du tust deine Augen über einen solchen auf,
daß du mich vor dir ins Gericht ziehst.
[14.4] Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch
nicht einer!a
[14.5] Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner
Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht
überschreiten kann:
[14.6] so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis
sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.
[14.7] Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen
ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schößlinge bleiben
nicht aus.
[14.8] Ob seine Wurzel in der Erde alt wird und sein
Stumpf im Boden erstirbt,
[14.9] so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und
treibt Zweige wie eine junge Pflanze.
[14.10] Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin; kommt ein
Mensch um - wo ist er?
[14.11] Wie Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein
Strom versiegt und vertrocknet,
[14.12] so ist ein Mensch, wenn er sich niederlegt, er
wird nicht wieder aufstehen; er wird nicht aufwachen, solange der
Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.
[14.13] Ach daß du mich im Totenreich verwahren und
verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir ein Ziel
setzen und dann an mich denken wolltest!
[14.14] Meinst du, ein toter Mensch wird wieder leben?
Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung
kommt.
[14.15] Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde
dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.
[14.16] Dann würdest du meine Schritte zählen, aber
hättest doch nicht acht auf meine Sünden.
[14.17] Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein
versiegeln und meine Schuld übertünchen.
[14.18] Ein Berg kann zerfallen und vergehen und ein Fels
von seiner Stätte weichen,
[14.19] Wasser wäscht Steine weg, und seine Fluten
schwemmen die Erde weg: so machst du die Hoffnung des Menschen
zunichte.
[14.20] Du überwältigst ihn für immer, daß er davon
muß, entstellst sein Antlitz und läßt ihn dahinfahren.
[14.21] Sind seine Kinder in Ehren, das weiß er nicht,
oder ob sie verachtet sind, das wird er nicht gewahr.
[14.22] Nur sein eigenes Fleisch macht ihm Schmerzen, und
nur um ihn selbst trauert seine Seele.
[15.1] Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
[15.2] Soll ein weiser Mann so aufgeblasene Worte reden
und seinen Bauch so blähen mit leeren Reden?
[15.3] Du verantwortest dich mit Worten, die nichts
taugen, und dein Reden ist nichts nütze.
[15.4] Du selbst zerstörst die Gottesfurcht und raubst
dir die Andacht vor Gott.
[15.5] Denn deine Schuld lehrt deinen Mund, und du hast
erwählt eine listige Zunge.
[15.6] Dein Mund verdammt dich und nicht ich, deine Lippen
zeugen gegen dich.
[15.7] Bist du als der erste Mensch geboren? Kamst du vor
den Hügeln zur Welt?
[15.8] Hast du im heimlichen Rat Gottes zugehört und die
Weisheit an dich gerissen?
[15.9] Was weißt du, das wir nicht wissen? Was verstehst
du, das uns nicht bekannt ist?
[15.10] Es sind Ergraute und Alte unter uns, die länger
gelebt haben als dein Vater.
[15.11] Gelten Gottes Tröstungen so gering bei dir und
ein Wort, das sanft mit dir verfuhr?
[15.12] Was reißt dein Herz dich fort? Was funkeln deine
Augen,
[15.13] daß sich dein Mut wider Gott richtet und du
solche Reden aus deinem Munde läßt?
[15.14] Was ist der Mensch, daß er rein sein sollte, und
daß der gerecht sein sollte, der vom Weibe geboren ist?
[15.15] Siehe, seinen Heiligen traut Gott nicht, und
selbst die Himmel sind nicht rein vor ihm.
[15.16] Wieviel weniger der Mensch, der greulich und
verderbt ist, der Unrecht säuft wie Wasser!
[15.17] Ich will dir's zeigen, höre mir zu, und ich will
dir erzählen, was ich gesehen habe,
[15.18] was die Weisen gesagt und ihre Väter ihnen nicht
verborgen haben,
[15.19] denen allein das Land gegeben war, so daß kein
Fremder unter ihnen umherzog:
[15.20] Der Gottlose bebt sein Leben lang, und dem
Tyrannen ist die Zahl seiner Jahre verborgen.
[15.21] Stimmen des Schreckens hört sein Ohr, und mitten
im Frieden kommt der Verderber über ihn.
[15.22] Er glaubt nicht, daß er dem Dunkel entrinnen
könne, und fürchtet immer das Schwert.
[15.23] Er zieht hin und her nach Brot und weiß, daß ihm
der Tag der Finsternis bereitet ist.
[15.24] Angst und Not schrecken ihn und schlagen ihn
nieder wie ein König, der angreift.
[15.25] Denn er hat seine Hand gegen Gott ausgereckt und
dem Allmächtigen getrotzt.
[15.26] Er läuft mit dem Kopf gegen ihn an und ficht
halsstarrig wider ihn.
[15.27] Er brüstet sich wie ein fetter Wanst und macht
sich feist und dick.
[15.28] Er wohnt in zerstörten Städten, in Häusern, wo
man nicht bleiben soll, die zu Steinhaufen bestimmt sind.
[15.29] Doch wird er nicht reich bleiben, und sein Gut
wird nicht bestehen, und sein Besitz wird sich nicht ausbreiten
im Lande.
[15.30] Er wird der Finsternis nicht entrinnen. Die Flamme
wird seine Zweige verdorren, und Gott wird ihn durch den Hauch
seines Mundes wegraffen.
[15.31] Er traue nicht auf Trug, sonst wird er betrogen
sein, und Trug wird sein Lohn werden.
[15.32] Er wird ihm voll ausgezahlt werden noch vor der
Zeit, und sein Zweig wird nicht mehr grünen.
[15.33] Er gleicht dem Weinstock, der die Trauben unreif
abstößt, und dem Ölbaum, der seine Blüte abwirft.
[15.34] Denn die Rotte der Ruchlosen wird unfruchtbar
bleiben, und das Feuer wird die Hütten der Bestechlichen
fressen.
[15.35] Sie gehen schwanger mit Mühsal und gebären
Unglück, und ihr Schoß bringt Trug zur Welt.
[16.1] Hiob antwortete und sprach:
[16.2] Ich habe das schon oft gehört. Ihr seid allzumal
leidige Tröster!
[16.3] Wollen die leeren Worte kein Ende haben? Oder was
reizt dich, so zu reden?
[16.4] Auch ich könnte wohl reden wie ihr, wärt ihr an
meiner Stelle. Auch ich könnte Worte gegen euch zusammenbringen
und mein Haupt über euch schütteln.
[16.5] Ich würde euch stärken mit dem Munde und mit
meinen Lippen trösten.
[16.6] Aber wenn ich schon redete, so würde mich mein
Schmerz nicht verschonen; hörte ich auf zu reden, so bliebe er
dennoch bei mir.
[16.7] Nun aber hat Er mich müde gemacht und alles
verstört, was um mich ist.
[16.8] Er hat mich runzlig gemacht, das zeugt wider mich,
und mein Siechtum steht wider mich auf und verklagt mich ins
Angesicht.
[16.9] Sein Grimm hat mich zerrissen, und er war mir
feind; er knirschte mit den Zähnen gegen mich; mein Widersacher
funkelt mich mit seinen Augen an.
[16.10] Sie haben ihren Mund aufgesperrt wider mich und
haben mich schmählich auf meine Backen geschlagen. Sie haben
ihren Mut miteinander an mir gekühlt.
[16.11] Gott hat mich übergeben dem Ungerechten und hat
mich in die Hände der Gottlosen kommen lassen.
[16.12] Ich war in Frieden, aber er hat mich zunichte
gemacht; er hat mich beim Genick genommen und zerschmettert. Er
hat mich als seine Zielscheibe aufgerichtet;
[16.13] seine Pfeile schwirren um mich her. Er hat meine
Nieren durchbohrt und nicht verschont; er hat meine Galle auf die
Erde geschüttet.
[16.14] Er schlägt in mich eine Bresche nach der andern;
er läuft gegen mich an wie ein Kriegsmann.
[16.15] Ich habe einen Sack um meinen Leib gelegt und mein
Haupt in den Staub gebeugt.
[16.16] Mein Antlitz ist gerötet vom Weinen, auf meinen
Wimpern liegt Dunkelheit,
[16.17] obwohl kein Frevel in meiner Hand und mein Gebet
rein ist.
[16.18] Ach Erde, bedecke mein Blut nicht, und mein
Schreien finde keine Ruhestatt!
[16.19] Siehe, auch jetzt noch ist mein Zeuge im Himmel,
und mein Fürsprecher ist in der Höhe.
[16.20] Meine Freunde verspotten mich; unter Tränen
blickt mein Auge zu Gott auf,
[16.21] daß er Recht verschaffe dem Mann bei Gott, dem
Menschen vor seinem Freund.
[16.22] Denn nur wenige Jahre noch, und ich gehe den Weg,
den ich nicht wiederkommen werde.
[17.1] Mein Geist ist zerbrochen, meine Tage sind
ausgelöscht; das Grab ist da.
[17.2] Fürwahr, Gespött umgibt mich, und auf ihrem
Hadern muß mein Auge weilen.
[17.3] Sei du selbst mein Bürge bei dir - wer will mich
sonst vertreten?
[17.4] Denn du hast ihrem Herzen den Verstand verborgen,
darum wirst du ihnen den Sieg nicht geben.
[17.5] Zum Teilen lädt einer Freunde ein, doch die Augen
seiner Kinder müssen verschmachten.
[17.6] Er hat mich zum Sprichwort unter den Leuten
gemacht, und ich muß mir ins Angesicht speien lassen.
[17.7] Mein Auge ist dunkel geworden vor Trauern, und alle
meine Glieder sind wie ein Schatten.
[17.8] Darüber entsetzen sich die Gerechten, und die
Unschuldigen entrüsten sich über die Ruchlosen.
[17.9] Aber der Gerechte hält fest an seinem Weg, und wer
reine Hände hat, nimmt an Stärke zu.
[17.10] Wohlan, kehrt euch alle wieder her und kommt; ich
werde dennoch keinen Weisen unter euch finden!
[17.11] Meine Tage sind vergangen; zerrissen sind meine
Pläne, die mein Herz besessen haben.
[17.12] Nacht will man mir zum Tag machen: Licht sei
näher als Finsternis.
[17.13] Wenn ich auch lange warte, so ist doch bei den
Toten mein Haus, und in der Finsternis ist mein Bett gemacht.
[17.14] Das Grab nenne ich meinen Vater und die Würmer
meine Mutter und meine Schwester.
[17.15] Worauf soll ich denn hoffen? Und wer sieht noch
Hoffnung für mich?
[17.16] Hinunter zu den Toten wird sie fahren, wenn alle
miteinander im Staub liegen.
[18.1] Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
[18.2] Wie lange wollt ihr auf Worte Jagd machen? Habt
doch Einsicht; danach wollen wir reden!
[18.3] Warum werden wir geachtet wie Vieh und sind so
töricht in euren Augen?
[18.4] Willst du vor Zorn bersten? Soll um deinetwillen
die Erde veröden und der Fels von seiner Stätte weichen?
[18.5] Dennoch wird das Licht der Gottlosen verlöschen,
und der Funke seines Feuers wird nicht leuchten.
[18.6] Das Licht wird finster werden in seiner Hütte und
seine Leuchte über ihm verlöschen.
[18.7] Seine kräftigen Schritte werden kürzer, und sein
eigener Plan wird ihn fällen.
[18.8] Ins Garn bringen ihn seine Füße, und über
Fanggruben führt sein Weg.
[18.9] Das Netz wird seine Ferse festhalten, und die
Schlinge wird ihn fangen.
[18.10] Sein Strick ist versteckt in der Erde und seine
Falle auf seinem Weg.
[18.11] Um und um schreckt ihn jähe Angst, daß er nicht
weiß, wo er hinaus soll.
[18.12] Unheil hungert nach ihm, und Unglück steht bereit
zu seinem Sturz.
[18.13] Die Glieder seines Leibes werden verzehrt; seine
Glieder wird verzehren der Erstgeborene des Todes.
[18.14] Er wird aus seiner Hütte verjagt, auf die er
vertraute, und hingetrieben zum König des Schreckens.
[18.15] In seiner Hütte wird wohnen, was nicht zu ihm
gehört; über seine Stätte wird Schwefel gestreut.
[18.16] Unten verdorren seine Wurzeln, und oben verwelken
seine Zweige.
[18.17] Sein Andenken wird vergehen im Lande, und er wird
keinen Namen haben auf der Gasse.
[18.18] Er wird vom Licht in die Finsternis vertrieben und
vom Erdboden verstoßen werden.
[18.19] Er wird keine Kinder haben und keine Enkel unter
seinem Volk; es wird ihm keiner übrigbleiben in seinen
Wohnungen.
[18.20] Die im Westen werden sich über seinen Gerichtstag
entsetzen, und die im Osten wird Furcht ankommen.
[18.21] Ja, so geht's der Wohnung des Ungerechten und der
Stätte dessen, der Gott nicht achtet.
[19.1] Hiob antwortete und sprach:
[19.2] Wie lange plagt ihr doch meine Seele und peinigt
mich mit Worten!
[19.3] Ihr habt mich nun zehnmal verhöhnt und schämt
euch nicht, mir so zuzusetzen.
[19.4] Habe ich wirklich geirrt, so trage ich meinen
Irrtum selbst.
[19.5] Wollt ihr euch wahrlich über mich erheben und
wollt mir meine Schande beweisen?
[19.6] So merkt doch endlich, daß Gott mir unrecht getan
hat und mich mit seinem Jagdnetz umgeben hat.
[19.7] Siehe, ich schreie "Gewalt!" und werde
doch nicht gehört; ich rufe, aber kein Recht ist da.
[19.8] Er hat meinen Weg vermauert, daß ich nicht
hinüber kann, und hat Finsternis auf meinen Steig gelegt.
[19.9] Er hat mir mein Ehrenkleid ausgezogen und die Krone
von meinem Haupt genommen.
[19.10] Er hat mich zerbrochen um und um, daß ich
dahinfuhr, und hat meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum.
[19.11] Sein Zorn ist über mich entbrannt, und er achtet
mich seinen Feinden gleich.
[19.12] Vereint kommen seine Kriegsscharen und haben ihren
Weg gegen mich gebaut und sich um meine Hütte her gelagert.
[19.13] Er hat meine Brüder von mir entfernt, und meine
Verwandten sind mir fremd geworden.
[19.14] Meine Nächsten haben sich zurückgezogen, und
meine Freunde haben mich vergessen.
[19.15] Meinen Hausgenossen und meinen Mägden gelte ich
als Fremder; ich bin ein Unbekannter in ihren Augen.
[19.16] Ich rief meinen Knecht, und er antwortete mir
nicht; ich mußte ihn anflehen mit eigenem Munde.
[19.17] Mein Odem ist zuwider meiner Frau, und den Söhnen
meiner Mutter ekelt's vor mir.
[19.18] Selbst die Kinder geben nichts auf mich; stelle
ich mich gegen sie, so geben sie mir böse Worte.
[19.19] Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich
lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.
[19.20] Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch,
und nur das nackte Leben brachte ich davon*. *Wörtlich: nur mit
meiner Zähne Haut bin ich davongekommen.
[19.21] Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine
Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen!
[19.22] Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht
satt werden von meinem Fleisch?
[19.23] Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach
daß sie aufgezeichnet würden als Inschrift,
[19.24] mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu
ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!
[19.25] Aber ich weiß, daß mein Erlöser* lebt, und als
der letzte wird er über dem Staub sich erheben.
[19.26] Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein
Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.
[19.27] Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn
schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner
Brust.
[19.28] Wenn ihr sprecht: Wie wollen wir ihn verfolgen und
eine Sache gegen ihn finden ! ,
[19.29] so fürchtet euch selbst vor dem Schwert; denn das
sind Missetaten, die das Schwert straft, damit ihr wißt, daß es
ein Gericht gibt.
[20.1] Da antwortete Zofar von Naama und sprach:
[20.2] Darum muß ich antworten, und deswegen kann ich
nicht schweigen;
[20.3] denn ich muß hören, wie man mich schmäht und
tadelt, aber der Geist aus meiner Einsicht lehrt mich antworten.
[20.4] Weißt du nicht, daß es allezeit so gegangen ist,
seitdem Menschen auf Erden gewesen sind,
[20.5] daß das Frohlocken der Gottlosen nicht lange
währt und die Freude des Ruchlosen nur einen Augenblick?
[20.6] Wenn auch sein Scheitel in den Himmel reicht und
sein Haupt an die Wolken rührt,
[20.7] so wird er doch für immer vergehen wie sein Kot,
und die ihn gesehen haben, werden sagen: Wo ist er?
[20.8] Wie ein Traum wird er verfliegen und nicht mehr zu
finden sein und wie ein Nachtgesicht verschwinden.
[20.9] Das Auge, das ihn gesehen hat, wird ihn nicht mehr
sehen, und seine Stätte wird ihn nicht mehr schauen.
[20.10] Seine Söhne werden bei den Armen betteln gehen,
und seine Hände müssen seine Habe wieder hergeben.
[20.11] Sind auch seine Gebeine voll Jugendkraft, so muß
sie sich doch mit ihm in den Staub legen.
[20.12] Wenn ihm auch das Böse in seinem Munde
wohlschmeckt, daß er es birgt unter seiner Zunge,
[20.13] daß er es hegt und nicht losläßt und es
zurückhält in seinem Gaumen,
[20.14] so wird sich doch seine Speise verwandeln in
seinem Leibe und wird Otterngift in seinem Bauch.
[20.15] Die Güter, die er verschlungen hat, muß er
wieder ausspeien, und Gott treibt sie aus seinem Bauch heraus.
[20.16] Er wird Otterngift saugen, und die Zunge der
Schlange wird ihn töten.
[20.17] Er wird nicht sehen die Ströme noch die Bäche,
die mit Honig und Milch fließen.
[20.18] Er wird erwerben und doch nichts davon genießen
und über seine eingetauschten Güter nicht froh werden.
[20.19] Denn er hat unterdrückt und verlassen den Armen;
er hat Häuser an sich gerissen, die er nicht erbaut hat.
[20.20] Denn sein Wanst konnte nicht voll genug werden;
mit seinem köstlichen Gut wird er nicht entrinnen.
[20.21] Nichts entging seiner Freßgier; darum wird sein
gutes Leben keinen Bestand haben.
[20.22] Wenn er auch die Fülle und genug hat, wird ihm
doch angst werden; alle Gewalt der Mühsal wird über ihn kommen.
[20.23] Es soll geschehen: damit er genug bekommt, wird
Gott den Grimm seines Zorns über ihn senden und wird über ihn
regnen lassen seine Schrecknisse.
[20.24] Flieht er vor dem eisernen Harnisch, so wird ihn
der eherne Bogen durchbohren!
[20.25] Es dringt das Geschoß aus seinem Rücken, der
Blitz des Pfeiles aus seiner Galle; Schrecken fahren über ihn
hin.
[20.26] Alle Finsternis ist für ihn aufgespart. Es wird
ihn ein Feuer verzehren, das keiner angezündet hat, und wer
übriggeblieben ist in seiner Hütte, dem wird's schlimm ergehen.
[20.27] Der Himmel wird seine Schuld enthüllen, und die
Erde wird sich gegen ihn erheben.
[20.28] Seine Ernte wird weggeführt werden, zerstreut am
Tage seines Zorns.
[20.29] Das ist der Lohn eines gottlosen Menschen bei Gott
und das Erbe, das Gott ihm zugesprochen hat.
[21.1] Hiob antwortete und sprach:
[21.2] Hört doch meiner Rede zu und laßt mir das eure
Tröstung sein!
[21.3] Ertragt mich, daß ich rede, und danach spottet
über mich!
[21.4] Geht denn gegen einen Menschen meine Klage, oder
warum sollte ich nicht ungeduldig sein?
[21.5] Kehrt euch her zu mir; ihr werdet erstarren und die
Hand auf den Mund legen müssen.
[21.6] Wenn ich daran denke, so erschrecke ich, und
Zittern kommt meinen Leib an.
[21.7] Warum bleiben die Gottlosen am Leben, werden alt
und nehmen zu an Kraft?a
[21.8] Ihr Geschlecht ist sicher um sie her, und ihre
Nachkommen sind bei ihnen.
[21.9] Ihr Haus hat Frieden ohne Furcht, und Gottes Rute
ist nicht über ihnen.
[21.10] Ihr Stier bespringt, und es mißrät nicht; ihre
Kuh kalbt und wirft nicht fehl.
[21.11] Ihre kleinen Kinder lassen sie hinaus wie eine
Herde, und ihre Knaben springen umher.
[21.12] Sie jauchzen mit Pauken und Harfen und sind
fröhlich mit Flöten.
[21.13] Sie werden alt bei guten Tagen, und in Ruhe fahren
sie hinab zu den Toten,
[21.14] und doch sagen sie zu Gott: "Weiche von uns,
wir wollen von deinen Wegen nichts wissen!
[21.15] Wer ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen
sollten? Oder was nützt es uns, wenn wir ihn anrufen?"
"
[21.16] Doch siehe, ihr Glück steht nicht in ihren
Händen, und der Rat der Gottlosen ist ferne von mir."
[21.17] Wie oft geschieht's denn, daß die Leuchte der
Gottlosen verlischt und ihr Unglück über sie kommt, daß Gott
Herzeleid über sie austeilt in seinem Zorn,
[21.18] daß sie werden wie Stroh vor dem Winde und wie
Spreu, die der Sturmwind wegführt?
[21.19] "Gott spart das Unglück des Gottlosen auf
für dessen Kinder." Er vergelte es ihm selbst, daß er's
spüre!
[21.20] Seine Augen mögen sein Verderben sehen, und vom
Grimm des Allmächtigen möge er trinken!
[21.21] Denn was liegt ihm an seinem Hause nach seinem
Tode, wenn die Zahl seiner Monde zu Ende ist?
[21.22] Wer will Gott Weisheit lehren, der auch die Hohen
richtet?
[21.23] Der eine stirbt frisch und gesund in allem
Reichtum und voller Genüge,
[21.24] sein Melkfaß ist voll Milch, und sein Gebein wird
gemästet mit Mark;
[21.25] der andere aber stirbt mit verbitterter Seele und
hat nie vom Glück gekostet -
[21.26] und doch liegen beide miteinander in der Erde, und
Gewürm deckt sie zu.
[21.27] Siehe, ich kenne eure Gedanken und eure Ränke,
mit denen ihr mir Unrecht antut.
[21.28] Denn ihr sprecht: "Wo ist das Haus des
Fürsten, und wo ist die Hütte, in der die Gottlosen
wohnten?"
[21.29] Habt ihr nicht befragt, die des Weges kommen, und
nicht auf ihre Zeichen geachtet,
[21.30] daß nämlich der Böse erhalten wird am Tage des
Verderbens und am Tage des Grimms bleibt?
[21.31] Wer sagt ihm ins Angesicht, was er verdient? Wer
vergilt ihm, was er getan hat?
[21.32] Wird er doch zu Grabe geleitet, und man hält
Wache über seinem Hügel!
[21.33] Süß sind ihm die Schollen des Grabes, und alle
Menschen ziehen ihm nach, und die ihm vorangehen, sind nicht zu
zählen.
[21.34] Wie tröstet ihr mich mit Nichtigkeiten, und von
euren Antworten bleibt nichts als Trug!
[22.1] Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
[22.2] Kann denn ein Mann Gott etwas nützen? Nur sich
selber nützt ein Kluger.
[22.3] Meinst du, der Allmächtige habe Vorteil davon,
daß du gerecht bist? Was hilft's ihm, selbst wenn deine Wege
ohne Tadel sind?
[22.4] Meinst du: er wird dich wegen deiner Gottesfurcht
zurechtweisen und mit dir ins Gericht gehen?
[22.5] Ist deine Bosheit nicht zu groß, und sind deine
Missetaten nicht ohne Ende?
[22.6] Du hast deinem Bruder ein Pfand abgenommen ohne
Grund, du hast den Nackten die Kleider entrissen;
[22.7] du hast die Durstigen nicht getränkt mit Wasser
und hast dem Hungrigen dein Brot versagt;
[22.8] dem Mächtigen gehört das Land, und sein
Günstling darf darin wohnen;
[22.9] die Witwen hast du leer weggehen lassen und die
Arme der Waisen zerbrochen.
[22.10] Darum bist du von Schlingen umgeben, und Entsetzen
hat dich plötzlich erschreckt.
[22.11] Dein Licht ist Finsternis, so daß du nicht sehen
kannst, und die Wasserflut bedeckt dich.
[22.12] Ist Gott nicht hoch wie der Himmel? Sieh die
Sterne an, wie hoch sie sind!
[22.13] Du sprichst zwar: "Was weiß Gott? Sollte er
durchs Gewölk hindurch richten können?
[22.14] Die Wolken sind seine Hülle, daß er nicht sehen
kann; er wandelt am Rande des Himmels. "
[22.15] Hältst du den Weg der Vorzeit ein, auf dem die
Ungerechten gegangen sind,
[22.16] die fortgerafft wurden, ehe es Zeit war, und das
Wasser hat ihren Grund weggewaschen,
[22.17] die zu Gott sprachen: "Heb dich von
uns!"? Was sollte der Allmächtige ihnen antun können?
[22.18] Hat er doch ihr Haus mit Gütern gefüllt. Aber:
"Der Rat der Gottlosen ist ferne von mir. "
[22.19] Die Gerechten werden's sehen und sich freuen, und
der Unschuldige wird sie verspotten: "
[22.20] Ja, unser Widersacher ist vertilgt, und was er
hinterließ, hat das Feuer verzehrt. "
[22.21] So vertrage dich nun mit Gott und mache Frieden;
daraus wird dir viel Gutes kommen.
[22.22] Nimm doch Weisung an von seinem Munde und fasse
seine Worte in dein Herz.
[22.23] Bekehrst du dich zum Allmächtigen und demütigst
du dich und tust das Unrecht weit weg von deiner Hütte
[22.24] - wirf in den Staub dein Gold und zu den Steinen
der Bäche das Gold von Ofir -,
[22.25] so wird der Allmächtige dein Gold sein und wie
Silber, das dir zugehäuft wird.
[22.26] Dann wirst du deine Lust haben an dem
Allmächtigen und dein Antlitz zu Gott erheben.
[22.27] Wenn du ihn bitten wirst, wird er dich hören, und
du wirst deine Gelübde erfüllen.
[22.28] Was du dir vornimmst, läßt er dir gelingen, und
das Licht wird auf deinen Wegen scheinen.
[22.29] Denn er erniedrigt die Hochmütigen; aber wer
seine Augen niederschlägt, dem hilft er.
[22.30] Auch wer nicht unschuldig ist, wird errettet
werden; er wird errettet um der Reinheit deiner Hände willen.
[23.1] Hiob antwortete und sprach:
[23.2] Auch heute lehnt sich meine Klage auf; seine Hand
drückt schwer, daß ich seufzen muß.
[23.3] Ach daß ich wüßte, wie ich ihn finden und zu
seinem Thron kommen könnte!
[23.4] So würde ich ihm das Recht darlegen und meinen
Mund mit Beweisen füllen
[23.5] und erfahren die Reden, die er mir antworten, und
vernehmen, was er mir sagen würde.
[23.6] Würde er mit großer Macht mit mir rechten? Nein,
er selbst würde achthaben auf mich.
[23.7] Dann würde ein Redlicher mit ihm rechten, und für
immer würde ich entrinnen meinem Richter!
[23.8] Aber gehe ich nun vorwärts, so ist er nicht da;
gehe ich zurück, so spüre ich ihn nicht.
[23.9] Ist er zur Linken, so schaue ich ihn nicht;
verbirgt er sich zur Rechten, so sehe ich ihn nicht.
[23.10] Er aber kennt meinen Weg gut. Er prüfe mich, so
will ich erfunden werden wie das Gold.
[23.11] Denn ich hielt meinen Fuß auf seiner Bahn und
bewahrte seinen Weg und wich nicht ab
[23.12] und übertrat nicht das Gebot seiner Lippen und
bewahrte die Reden seines Mundes bei mir.
[23.13] Doch er ist der eine - wer will ihm wehren? Und er
macht's, wie er will.
[23.14] Ja, er wird vollenden, was mir bestimmt ist, und
hat noch mehr derart im Sinn.
[23.15] Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht, und
wenn ich darüber nachdenke, so fürchte ich mich vor ihm.
[23.16] Gott ist's, der mein Herz mutlos gemacht, und der
Allmächtige, der mich erschreckt hat;
[23.17] denn nicht der Finsternis wegen muß ich
schweigen, und nicht, weil Dunkel mein Angesicht deckt.
[24.1] Warum sind von dem Allmächtigen nicht Zeiten
vorbehalten, und warum sehen, die ihn kennen, seine Tage nicht?
[24.2] Die Gottlosen verrücken die Grenzen, rauben die
Herde und weiden sie.
[24.3] Sie treiben den Esel der Waisen weg und nehmen das
Rind der Witwe zum Pfande.
[24.4] Sie stoßen die Armen vom Wege, und die Elenden im
Lande müssen sich verkriechen.
[24.5] Siehe, sie sind wie Wildesel: in der Wüste gehen
sie an ihr Werk und suchen Nahrung in der Einöde, als Speise
für ihre Kinder.
[24.6] Sie ernten des Nachts auf dem Acker und halten
Nachlese im Weinberg des Gottlosen.
[24.7] Sie liegen in der Nacht nackt ohne Gewand und haben
keine Decke im Frost.
[24.8] Sie triefen vom Regen in den Bergen; sie müssen
sich an die Felsen drücken, weil sie sonst keine Zuflucht haben.
[24.9] Man reißt das Waisenkind von der Mutterbrust und
nimmt den Säugling der Armen zum Pfande.
[24.10] Nackt gehen sie einher ohne Kleider, und hungrig
tragen sie Garben.
[24.11] Gleich in den Gärten pressen sie Öl, sie treten
die Kelter und leiden doch Durst.
[24.12] Fern der Stadt seufzen Sterbende, und die Seele
der Säuglinge schreit. Doch Gott achtet nicht darauf!
[24.13] Sie sind Feinde des Lichts geworden, kennen Gottes
Weg nicht und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
[24.14] Wenn der Tag anbricht, steht der Mörder auf und
erwürgt den Elenden und Armen, und des Nachts schleicht der
Dieb.
[24.15] Das Auge des Ehebrechers lauert auf das Dunkel,
und er denkt: "Mich sieht kein Auge!" und verdeckt sein
Antlitz.
[24.16] Im Finstern bricht man in die Häuser ein; am Tage
verbergen sie sich und scheuen alle das Licht.
[24.17] Ja, als Morgen gilt ihnen allen die Finsternis,
denn sie sind bekannt mit den Schrecken der Finsternis.
[24.18] Er fährt leicht wie auf dem Wasser dahin,
verflucht wird sein Acker im Lande, und man wendet sich seinem
Weinberg nicht zu.
[24.19] Der Tod nimmt weg, die da sündigen, wie die Hitze
und Dürre das Schneewasser verzehrt.
[24.20] Der Mutterschoß vergißt ihn; die Würmer laben
sich an ihm. An ihn denkt man nicht mehr; so zerbricht Frevel wie
Holz.
[24.21] Er hat bedrückt die Unfruchtbare, die nicht
gebar, und hat der Witwe nichts Gutes getan.
[24.22] Gott rafft die Gewalttätigen hin durch seine
Kraft; steht er auf, so müssen sie am Leben verzweifeln.
[24.23] Er gibt ihnen, daß sie sicher sind und eine
Stütze haben, doch seine Augen wachen über ihren Wegen.
[24.24] Sie sind hoch erhöht; aber nach einer kleinen
Weile sind sie nicht mehr da; sie sinken hin und werden
hinweggerafft wie alle; wie die Spitzen der Ähren werden sie
abgeschnitten.
[24.25] Ist's nicht so? Wer will mich Lügen strafen und
erweisen, daß meine Rede nichts sei?
[25.1] Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
[25.2] Herrschaft und Schrecken ist bei ihm, der Frieden
schafft in seinen Höhen.
[25.3] Wer will seine Scharen zählen? Und über wem geht
sein Licht nicht auf?
[25.4] Und wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott? Und
wie kann rein sein ein vom Weibe Geborener?
[25.5] Siehe, auch der Mond scheint nicht hell, und die
Sterne sind nicht rein vor seinen Augen -
[25.6] wieviel weniger der Mensch, eine Made, und das
Menschenkind, ein Wurm!
[26.1] Hiob antwortete und sprach:
[26.2] Wie sehr stehst du dem bei, der keine Kraft hat,
hilfst du dem, der keine Stärke in den Armen hat!
[26.3] Wie gibst du Rat dem, der keine Weisheit hat, und
lehrst ihn Einsicht in Fülle!
[26.4] Mit wessen Hilfe redest du? Und wessen Geist geht
von dir aus?
[26.5] Die Schatten drunten erbeben, das Wasser und die
darin wohnen.
[26.6] Das Totenreich ist aufgedeckt vor ihm, und der
Abgrund hat keine Decke.
[26.7] Er spannt den Norden aus über dem Leeren und
hängt die Erde über das Nichts.
[26.8] Er faßt das Wasser zusammen in seine Wolken, und
die Wolken zerreißen darunter nicht.
[26.9] Er verhüllt seinen Thron und breitet seine Wolken
davor.
[26.10] Er hat am Rande des Wassers eine Grenze gezogen,
wo Licht und Finsternis sich scheiden.
[26.11] Die Säulen des Himmels zittern und entsetzen sich
vor seinem Schelten.
[26.12] Durch seine Kraft hat er das Meer erregt, und
durch seine Einsicht hat er Rahab* zerschmettert.
[26.13] Am Himmel wurde es schön durch seinen Wind, und
seine Hand durchbohrte die flüchtige Schlange.
[26.14] Siehe, das sind nur die Enden seiner Wege, und nur
ein leises Wörtlein davon haben wir vernommen. Wer will aber den
Donner seiner Macht verstehen?
[27.1] Und Hiob fuhr fort mit seinem Spruch und sprach:
[27.2] So wahr Gott lebt, der mir mein Recht verweigert,
und der Allmächtige, der meine Seele betrübt
[27.3] - solange noch mein Odem in mir ist und der Hauch
von Gott in meiner Nase -:
[27.4] meine Lippen reden nichts Unrechtes, und meine
Zunge sagt keinen Betrug.
[27.5] Das sei ferne von mir, daß ich euch recht gebe;
bis mein Ende kommt, will ich nicht weichen von meiner Unschuld.
[27.6] An meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse
sie nicht; mein Gewissen beißt mich nicht wegen eines meiner
Tage.
[27.7] Meinem Feind soll es gehen wie dem Gottlosen und
dem, der sich gegen mich auflehnt, wie dem Ungerechten.
[27.8] Denn was ist die Hoffnung des Ruchlosen, wenn Gott
mit ihm ein Ende macht und seine Seele von ihm fordert?
[27.9] Meinst du, daß Gott sein Schreien hören wird,
wenn die Angst über ihn kommt?
[27.10] Oder kann er an dem Allmächtigen seine Lust haben
und Gott allezeit anrufen?
[27.11] Ich will euch über Gottes Tun belehren, und wie
der Allmächtige gesinnt ist, will ich nicht verhehlen.
[27.12] Siehe, ihr habt es selber gesehen; warum bringt
ihr dann so unnütze Dinge vor?
[27.13] Das ist der Lohn eines gottlosen Menschen bei Gott
und das Erbe der Tyrannen, das sie vom Allmächtigen bekommen:
[27.14] werden seine Söhne groß, so werden sie eine
Beute des Schwerts; und seine Nachkommen werden an Brot nicht
satt.
[27.15] Die ihm übrigbleiben, wird der Tod ins Grab
bringen, und seine Witwen werden nicht weinen.
[27.16] Wenn er Geld zusammenbringt wie Staub und schafft
Kleider an, wie man Lehm aufhäuft,
[27.17] so wird er's zwar anschaffen, aber der Gerechte
wird's anziehen, und dem Unschuldigen wird das Geld zuteil.
[27.18] Er baut sein Haus wie eine Spinne und wie ein
Wächter eine Hütte macht.
[27.19] Reich legt er sich nieder, aber wird's nicht noch
einmal tun können; tut er seine Augen auf, dann ist nichts mehr
da.
[27.20] Es wird ihn Schrecken überfallen wie
Wasserfluten; des Nachts nimmt ihn der Sturmwind fort.
[27.21] Der Ostwind wird ihn wegführen, daß er
dahinfährt, und wird ihn von seinem Ort hinwegwehen.
[27.22] Das wird er über ihn bringen und ihn nicht
schonen; vor seiner Gewalt muß er immer wieder fliehen.
[27.23] Man wird über ihn mit den Händen klatschen und
über ihn zischen, wo er gewesen ist.
[28.1] Es hat das Silber seine Gänge und das Gold
seinen Ort, wo man es läutert.
[28.2] Eisen bringt man aus der Erde, und aus dem Gestein
schmilzt man Kupfer.
[28.3] Man macht der Finsternis ein Ende, und bis ins
Letzte erforscht man das Gestein, das im Dunkel tief verborgen
liegt.
[28.4] Man bricht einen Schacht fern von da, wo man wohnt;
vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängen und schweben sie,
fern von den Menschen.
[28.5] Man zerwühlt wie Feuer unten die Erde, auf der
doch oben das Brot wächst.
[28.6] Man findet Saphir in ihrem Gestein, und es birgt
Goldstaub.
[28.7] Den Steig dahin hat kein Geier erkannt und kein
Falkenauge gesehen.
[28.8] Das stolze Wild hat ihn nicht betreten, und kein
Löwe ist darauf gegangen.
[28.9] Auch legt man die Hand an die Felsen und gräbt die
Berge von Grund aus um.
[28.10] Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles,
was kostbar ist, sieht das Auge.
[28.11] Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt,
was verborgen ist, ans Licht.
[28.12] Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist
die Stätte der Einsicht?
[28.13] Niemand weiß, was sie wert ist, und sie wird
nicht gefunden im Lande der Lebendigen.
[28.14] Die Tiefe spricht: "In mir ist sie
nicht"; und das Meer spricht: "Bei mir ist sie auch
nicht. "
[28.15] Man kann nicht Gold für sie geben noch Silber
darwägen, sie zu bezahlen.
[28.16] Ihr gleicht nicht Gold von Ofir oder kostbarer
Onyx und Saphir.
[28.17] Gold und edles Glas kann man ihr nicht
gleichachten noch sie eintauschen um güldnes Kleinod.
[28.18] Korallen und Kristall achtet man gegen sie nicht;
wer Weisheit erwirbt, hat mehr als Perlen.
[28.19] Topas aus Kusch wird ihr nicht gleich geschätzt,
und das reinste Gold wiegt sie nicht auf.
[28.20] Woher kommt denn die Weisheit? Und wo ist die
Stätte der Einsicht?
[28.21] Sie ist verhüllt vor den Augen aller Lebendigen,
auch verborgen den Vögeln unter dem Himmel.
[28.22] Der Abgrund und der Tod sprechen: "Wir haben
mit unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört. "
[28.23] Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kennt ihre
Stätte.
[28.24] Denn er sieht die Enden der Erde und schaut alles,
was unter dem Himmel ist.
[28.25] Als er dem Wind sein Gewicht gegeben und dem
Wasser sein Maß gesetzt,
[28.26] als er dem Regen ein Gesetz gegeben hat und dem
Blitz und Donner den Weg:
[28.27] damals schon sah er sie und verkündigte sie,
bereitete sie und ergründete sie
[28.28] und sprach zum Menschen: Siehe, die Furcht des
Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht.
[29.1] Und Hiob hob abermals an mit seinem Spruch und
sprach:
[29.2] O daß ich wäre wie in den früheren Monden, in
den Tagen, da Gott mich behütete,
[29.3] da seine Leuchte über meinem Haupt schien und ich
bei seinem Licht durch die Finsternis ging!
[29.4] Wie war ich in der Blüte meines Lebens, als Gottes
Freundschaft über meiner Hütte war,
[29.5] als der Allmächtige noch mit mir war und meine
Kinder um mich her,
[29.6] als ich meine Tritte wusch in Milch und die Felsen
Ölbäche ergossen!
[29.7] Wenn ich ausging zum Tor der Stadt und meinen Platz
auf dem Markt einnahm,
[29.8] dann sahen mich die Jungen und verbargen sich
scheu, und die Alten standen vor mir auf,
[29.9] die Oberen hörten auf zu reden und legten ihre
Hand auf ihren Mund,
[29.10] die Fürsten hielten ihre Stimme zurück, und ihre
Zunge klebte an ihrem Gaumen.
[29.11] Denn wessen Ohr mich hörte, der pries mich
glücklich, und wessen Auge mich sah, der rühmte mich.
[29.12] Denn ich errettete den Armen, der da schrie, und
die Waise, die keinen Helfer hatte.
[29.13] Der Segen des Verlassenen kam über mich, und ich
erfreute das Herz der Witwe.
[29.14] Gerechtigkeit war mein Kleid, das ich anzog, und
mein Recht war mir Mantel und Kopfbund.
[29.15] Ich war des Blinden Auge und des Lahmen Fuß.
[29.16] Ich war ein Vater der Armen, und der Sache des
Unbekannten nahm ich mich an.
[29.17] Ich zerbrach die Kinnbacken des Ungerechten und
riß ihm den Raub aus den Zähnen.
[29.18] Ich dachte: Ich werde in meinem Nest verscheiden
und meine Tage so zahlreich machen wie Sand am Meer;
[29.19] meine Wurzel reiche zum Wasser hin, und der Tau
bleibe auf meinen Zweigen;
[29.20] meine Ehre bleibe immer frisch bei mir, und mein
Bogen sei immer stark in meiner Hand.
[29.21] Sie hörten mir zu und schwiegen und warteten auf
meinen Rat.
[29.22] Nach meinen Worten redete niemand mehr, und meine
Rede troff auf sie nieder.
[29.23] Sie warteten auf mich wie auf den Regen und
sperrten ihren Mund auf wie nach Spätregen.
[29.24] Wenn ich ihnen zulachte, so faßten sie Vertrauen,
und das Licht meines Angesichts tröstete die Trauernden.
[29.25] Wenn ich zu ihnen kommen wollte, so mußte ich
obenan sitzen und thronte wie ein König unter der Schar.
[30.1] Jetzt aber verlachen mich, die jünger sind als
ich, deren Väter ich nicht wert geachtet hätte, sie zu meinen
Hunden bei der Herde zu stellen,
[30.2] deren Stärke ich für nichts hielt, denen die
Kraft dahinschwand;
[30.3] die vor Hunger und Mangel erschöpft sind, die das
dürre Land abnagen, die Wüste und Einöde;
[30.4] die da Melde sammeln bei den Büschen, und
Ginsterwurzel ist ihre Speise.
[30.5] Aus der Menschen Mitte werden sie weggetrieben; man
schreit ihnen nach wie einem Dieb;
[30.6] an den Hängen der Täler wohnen sie, in den
Löchern der Erde und in Steinklüften;
[30.7] zwischen den Büschen schreien sie, und unter den
Disteln sammeln sie sich -
[30.8] gottloses Volk und Leute ohne Namen, die man aus
dem Lande weggejagt hatte.
[30.9] Jetzt bin ich ihr Spottlied geworden und muß ihnen
zum Gerede dienen.
[30.10] Sie verabscheuen mich und halten sich ferne von
mir und scheuen sich nicht, vor meinem Angesicht auszuspeien.
[30.11] Er hat mein Seil gelöst und mich gedemütigt und
den Zaum weggetan, an dem er mich hielt.
[30.12] Zur Rechten hat sich eine Schar gegen mich
erhoben, sie haben meinen Fuß weggestoßen und haben gegen mich
Wege angelegt, mich zu verderben.
[30.13] Sie haben meine Pfade aufgerissen, zu meinem Fall
helfen sie; keiner gebietet ihnen Einhalt.
[30.14] Sie kommen wie durch eine breite Bresche herein,
wälzen sich unter den Trümmern heran.
[30.15] Schrecken hat sich gegen mich gekehrt und hat
verjagt wie der Wind meine Herrlichkeit, und wie eine Wolke zog
mein Glück vorbei.
[30.16] Jetzt aber zerfließt meine Seele in mir, und Tage
des Elends haben mich ergriffen.
[30.17] Des Nachts bohrt es in meinem Gebein, und die
Schmerzen, die an mir nagen, schlafen nicht.
[30.18] Mit aller Gewalt wird mein Kleid entstellt, wie
der Kragen meines Hemdes würgt es mich.
[30.19] Man hat mich in den Dreck geworfen, daß ich
gleich bin dem Staub und der Asche.
[30.20] Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht;
ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich.
[30.21] Du hast dich mir verwandelt in einen Grausamen und
streitest gegen mich mit der Stärke deiner Hand.
[30.22] Du hebst mich auf und läßt mich auf dem Winde
dahinfahren und vergehen im Sturm.
[30.23] Denn ich weiß, du wirst mich zum Tod gehen
lassen, zum Haus, da alle Lebendigen zusammenkommen.
[30.24] Aber wird man nicht die Hand ausstrecken unter
Trümmern und nicht schreien in der Not?
[30.25] Ich weinte ja über die harte Zeit, und meine
Seele grämte sich über das Elend.
[30.26] Ich wartete auf das Gute, und es kam das Böse;
ich hoffte auf Licht, und es kam Finsternis.
[30.27] In mir kocht es und hört nicht auf; mich haben
überfallen Tage des Elends.
[30.28] Ich gehe schwarz einher, doch nicht von der Sonne;
ich stehe auf in der Gemeinde und schreie.
[30.29] Ich bin ein Bruder der Schakale geworden und ein
Geselle der Strauße.
[30.30] Meine Haut ist schwarz geworden und löst sich ab
von mir, und meine Gebeine sind verdorrt vor hitzigem Fieber.
[30.31] Mein Harfenspiel ist zur Klage geworden, und mein
Flötenspiel zum Trauerlied.
[31.1] Ich hatte einen Bund gemacht mit meinen Augen,
daß ich nicht lüstern blickte auf eine Jungfrau.
[31.2] Was gäbe sonst mir Gott als Teil von oben und was
für ein Erbe der Allmächtige aus der Höhe?
[31.3] Wäre es nicht Verderben für den Ungerechten und
Unglück für den Übeltäter?
[31.4] Sieht er nicht meine Wege und zählt alle meine
Schritte?a
[31.5] Bin ich gewandelt in Falschheit, oder ist mein Fuß
geeilt zum Betrug?
[31.6] Gott möge mich wiegen auf rechter Waage, so wird
er erkennen meine Unschuld!
[31.7] Ist mein Gang gewichen vom Wege und mein Herz
meinen Augen nachgefolgt und blieb etwas hängen an meinen
Händen,
[31.8] so will ich säen, aber ein anderer soll es essen,
und was mir gewachsen ist, soll entwurzelt werden.
[31.9] Hat sich mein Herz betören lassen um eines Weibes
willen und hab ich an meines Nächsten Tür gelauert,
[31.10] so soll mein Weib einem andern mahlen, und andere
sollen sich über sie beugen.
[31.11] Denn das ist eine Schandtat und eine Schuld, die
vor die Richter gehört.
[31.12] Ja, das ist ein Feuer, das bis in den Abgrund
frißt und all meine Habe bis auf die Wurzel vernichtet.
[31.13] Hab ich mißachtet das Recht meines Knechts oder
meiner Magd, wenn sie eine Sache wider mich hatten,
[31.14] was wollte ich tun, wenn Gott sich erhebt, und was
würde ich antworten, wenn er nachforscht?
[31.15] Hat nicht auch ihn erschaffen, der mich im
Mutterleibe schuf, hat nicht der Eine uns im Mutterschoß
bereitet?
[31.16] Hab ich den Bedürftigen ihr Begehren versagt und
die Augen der Witwe verschmachten lassen?
[31.17] Hab ich meinen Bissen allein gegessen, und hat
nicht die Waise auch davon gegessen?
[31.18] Nein, ich habe sie von Jugend auf gehalten wie ein
Vater, und ich habe sie von Mutterleib an geleitet.
[31.19] Hab ich zugesehen, wie jemand ohne Kleid verkommen
ist, und den Armen ohne Decke gehen lassen?
[31.20] Hat er mich nicht gesegnet, wenn er von der Wolle
meiner Lämmer erwärmt wurde?
[31.21] Hab ich meine Hand gegen eine Waise erhoben, weil
ich sah, daß ich im Tor Helfer hatte,
[31.22] so falle meine Schulter vom Nacken und mein Arm
breche aus dem Gelenk!
[31.23] Denn ich müßte Gottes Strafe über mich
fürchten und könnte seine Hoheit nicht ertragen.
[31.24] Hab ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht und
zum Feingold gesagt: "Mein Trost"?
[31.25] Hab ich mich gefreut, daß ich großes Gut besaß
und meine Hand so viel erworben hatte?
[31.26] Hab ich das Licht angesehen, wenn es hell
leuchtete, und den Mond, wenn er herrlich dahinzog,
[31.27] daß mich mein Herz heimlich betört hätte, ihnen
Küsse zuzuwerfen mit meiner Hand?
[31.28] Das wäre auch eine Missetat, die vor die Richter
gehört; denn damit hätte ich verleugnet Gott in der Höhe.
[31.29] Hab ich mich gefreut, wenn's meinem Feinde übel
ging, und mich erhoben, weil ihn Unglück getroffen hatte?
[31.30] Nein, ich ließ meinen Mund nicht sündigen, daß
ich verwünschte mit einem Fluch seine Seele.
[31.31] Haben nicht die Männer in meinem Zelt sagen
müssen: "Wo ist einer, der nicht satt geworden wäre von
seinem Fleisch?"
[31.32] Kein Fremder durfte draußen zur Nacht bleiben,
sondern meine Tür tat ich dem Wanderer auf.
[31.33] Hab ich meine Übertretungen, wie Menschen tun,
zugedeckt, um heimlich meine Schuld zu verbergen,
[31.34] weil ich mir grauen ließ vor der großen Menge
und die Verachtung der Sippen mich abgeschreckt hat, so daß ich
still blieb und nicht zur Tür hinausging?
[31.35] *Hat mein Acker wider mich geschrien und haben
miteinander seine Furchen geweint, *Der Zusammenhang erfordert
die hier vorgenommene Umstellung der Verse 38-40 a.
[31.36] hab ich seine Früchte unbezahlt gegessen und
seinen Ackerleuten das Leben sauer gemacht,
[31.37] so sollen mir Disteln wachsen statt Weizen und
Unkraut statt Gerste.
[31.38] O hätte ich einen, der mich anhört - hier meine
Unterschrift! der Allmächtige antworte mir! -, oder die Schrift,
die mein Verkläger geschrieben!a
[31.39] Wahrlich, dann wollte ich sie auf meine Schulter
nehmen und wie eine Krone tragen.
[31.40] Ich wollte alle meine Schritte ihm ansagen und wie
ein Fürst ihm nahen.
[31.41] Die Worte Hiobs haben ein Ende.
[32.1] Da hörten die drei Männer auf, Hiob zu
antworten, weil er sich für gerecht hielt.
[32.2] Aber Elihu, der Sohn Barachels des Busiters, aus
dem Geschlecht Ram, ward zornig. Er ward zornig über Hiob, weil
er sich selber für gerechter hielt als Gott.
[32.3] Auch ward er zornig über seine drei Freunde, weil
sie keine Antwort fanden und doch Hiob verdammten.
[32.4] Elihu aber hatte gewartet, bis sie mit Hiob geredet
hatten, weil sie älter waren als er.
[32.5] Als Elihu nun sah, daß keine Antwort war im Munde
der drei Männer, ward er zornig.
[32.6] Und Elihu, der Sohn Barachels des Busiters, hob an
und sprach: Ich bin jung an Jahren, ihr aber seid alt; darum hab
ich mich gescheut und gefürchtet, mein Wissen euch kundzutun.
[32.7] Ich dachte: Laß das Alter reden, und die Menge der
Jahre laß Weisheit beweisen.
[32.8] Aber der Geist ist es in den Menschen und der Odem
des Allmächtigen, der sie verständig macht.
[32.9] Die Betagten sind nicht die Weisesten, und die
Alten verstehen nicht, was das Rechte ist.
[32.10] Darum sage ich: Hört mir zu; auch ich will mein
Wissen kundtun.
[32.11] Siehe, ich habe gewartet, bis ihr geredet hattet;
ich habe aufgemerkt auf eure Einsicht, bis ihr die rechten Worte
treffen würdet,
[32.12] und habe achtgehabt auf euch; aber siehe, da war
keiner unter euch, der Hiob zurechtwies oder seiner Rede
antwortete.
[32.13] Sagt nur nicht: "Wir haben Weisheit gefunden;
Gott muß ihn schlagen und nicht ein Mensch. "
[32.14] Mich haben seine Worte nicht getroffen, und mit
euren Reden will ich ihm nicht antworten.
[32.15] Ach! Betroffen stehen sie da und können nicht
mehr antworten; sie wissen nichts mehr zu sagen.
[32.16] Und da soll ich warten, weil sie nicht mehr reden,
weil sie dastehen und nicht mehr antworten?
[32.17] Auch ich will mein Teil antworten und will mein
Wissen kundtun!
[32.18] Denn ich bin voll von Worten, weil mich der Geist
in meinem Inneren bedrängt.
[32.19] Siehe, mein Inneres ist wie der Most, den man
nicht herausläßt und der die neuen Schläuche zerreißt.
[32.20] Ich muß reden, daß ich mir Luft mache, ich muß
meine Lippen auftun und antworten.
[32.21] Vor mir soll kein Ansehen der Person gelten, und
ich will keinem Menschen schmeicheln.
[32.22] Denn ich weiß nicht zu schmeicheln; sonst würde
mich mein Schöpfer bald dahinraffen.
[33.1] Höre doch, Hiob, meine Rede und merke auf alle
meine Worte!
[33.2] Siehe, ich tue meinen Mund auf, und meine Zunge
redet in meinem Munde.
[33.3] Mein Herz spricht aufrichtige Worte, und meine
Lippen reden lautere Erkenntnis.
[33.4] Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des
Allmächtigen hat mir das Leben gegeben.
[33.5] Kannst du, so antworte mir; rüste dich gegen mich
und stelle dich.
[33.6] Siehe, vor Gott bin ich wie du, und aus Erde bin
auch ich gemacht.
[33.7] Siehe, du brauchst vor mir nicht zu erschrecken,
und mein Drängen soll nicht auf dir lasten.
[33.8] Du hast geredet vor meinen Ohren, den Ton deiner
Reden höre ich noch: "
[33.9] Ich bin rein, ohne Missetat, unschuldig und habe
keine Sünde.
[33.10] Siehe, Gott erfindet Vorwürfe wider mich, er
betrachtet mich als seinen Feind;
[33.11] er hat meine Füße in den Block gelegt und hat
acht auf alle meine Wege. "
[33.12] Siehe, darin hast du nicht recht, muß ich dir
antworten; denn Gott ist mehr als ein Mensch.
[33.13] Warum willst du mit ihm hadern, weil er auf
Menschenworte nicht Antwort gibt?
[33.14] Denn auf eine Weise redet Gott und auf eine
zweite; nur beachtet man's nicht.
[33.15] Im Traum, im Nachtgesicht, wenn der Schlaf auf die
Menschen fällt, wenn sie schlafen auf dem Bett,
[33.16] da öffnet er das Ohr der Menschen und schreckt
sie auf und warnt sie,
[33.17] damit er den Menschen von seinem Vorhaben abwende
und von ihm die Hoffart tilge
[33.18] und bewahre seine Seele vor dem Verderben und sein
Leben vor des Todes Geschoß.
[33.19] Auch warnt er ihn durch Schmerzen auf seinem Bett
und durch heftigen Kampf in seinen Gliedern
[33.20] und richtet ihm sein Leben so zu, daß ihm vor der
Speise ekelt, und seine Seele, daß sie nicht Lust hat zu essen.
[33.21] Sein Fleisch schwindet dahin, daß man's nicht
ansehen kann, und seine Knochen stehen heraus, daß man lieber
wegsieht;
[33.22] so nähert er sich der Grube und sein Leben den
Toten.
[33.23] Kommt dann zu ihm ein Engel, ein Mittler, einer
aus tausend, kundzutun dem Menschen, was für ihn recht ist,
[33.24] so wird er ihm gnädig sein und sagen:
"Erlöse ihn, daß er nicht hinunterfahre zu den Toten; denn
ich habe ein Lösegeld gefunden.
[33.25] Sein Fleisch blühe wieder wie in der Jugend, und
er soll wieder jung werden. "
[33.26] Er wird Gott bitten, und der wird ihm Gnade
erweisen und wird ihn sein Antlitz sehen lassen mit Freuden und
wird dem Menschen seine Gerechtigkeit zurückgeben.
[33.27] Er wird vor den Leuten lobsingen und sagen:
"Ich hatte gesündigt und das Recht verkehrt, aber es ist
mir nicht vergolten worden.
[33.28] Gott hat mich erlöst, daß ich nicht hinfahre zu
den Toten, sondern mein Leben das Licht sieht. "
[33.29] Siehe, das alles tut Gott zwei- oder dreimal mit
einem jeden,
[33.30] daß er sein Leben zurückhole von den Toten und
erleuchte ihn mit dem Licht der Lebendigen.
[33.31] Merk auf, Hiob, und höre mir zu und schweige,
damit ich reden kann!
[33.32] Hast du aber etwas zu sagen, so antworte mir. Sage
an, ich will dir gern recht geben!
[33.33] Hast du aber nichts, so höre mir zu und schweige;
ich will dich Weisheit lehren.
[34.1] Und Elihu hob an und sprach:
[34.2] Höret, ihr Weisen, meine Rede, und ihr
Verständigen, merkt auf mich!
[34.3] Denn das Ohr prüft die Rede, wie der Gaumen die
Speise schmeckt.
[34.4] Laßt uns ein Urteil finden, daß wir miteinander
erkennen, was gut ist.
[34.5] Denn Hiob hat gesagt: "Ich bin gerecht, doch
Gott verweigert mir mein Recht;
[34.6] ich soll lügen, obwohl ich recht habe, und mich
quält der Pfeil, der mich traf, obwohl ich doch ohne Schuld bin.
"
[34.7] Wo ist so ein Mann wie Hiob, der Hohn trinkt wie
Wasser
[34.8] und auf dem Wege geht mit den Übeltätern und
wandelt mit den gottlosen Leuten?
[34.9] Denn er hat gesagt: "Es nützt dem Menschen
nichts, wenn er Gottes Wohlgefallen sucht. "a
[34.10] Darum hört mir zu, ihr weisen Männer: Es sei
ferne, daß Gott sollte gottlos handeln und der Allmächtige
ungerecht;
[34.11] sondern er vergilt dem Menschen, wie er verdient
hat, und trifft einen jeden nach seinem Tun.
[34.12] Ohne Zweifel, Gott tut niemals Unrecht, und der
Allmächtige beugt das Recht nicht. -
[34.13] Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den
ganzen Erdkreis hingestellt?
[34.14] Wenn er nur an sich dächte, seinen Geist und Odem
an sich zöge,
[34.15] so würde alles Fleisch miteinander vergehen, und
der Mensch würde wieder zu Staub werden.
[34.16] Hast du nun Verstand, so höre das und merke auf
die Stimme meiner Reden!
[34.17] Kann denn regieren, wer das Recht hasset? Oder
willst du den verdammen, der gerecht und allmächtig ist,
[34.18] der zum König sagt: "Du heilloser Mann"
und zu den Fürsten: "Ihr Gottlosen",
[34.19] der nicht ansieht die Person der Fürsten und
achtet den Vornehmen nicht mehr als den Armen? Denn sie sind alle
seiner Hände Werk.
[34.20] Plötzlich müssen die Leute sterben und zu
Mitternacht erschrecken und vergehen; die Mächtigen werden
weggenommen ohne Menschenhand.
[34.21] Denn seine Augen sehen auf eines jeden Weg, und er
schaut auf alle ihre Schritte.
[34.22] Es gibt keine Finsternis und kein Dunkel, wo sich
verbergen könnten die Übeltäter.
[34.23] Denn es wird niemand gesagt, wann er vor Gott zum
Gericht erscheinen muß.
[34.24] Er bringt die Stolzen um, ohne sie erst zu
verhören, und stellt andere an ihre Stelle;
[34.25] denn er kennt ihre Werke, und er stürzt sie des
Nachts, daß sie zerschlagen werden.
[34.26] Er urteilt sie ab wie die Gottlosen an einem Ort,
wo viele es sehen,
[34.27] weil sie von ihm gewichen sind und verstanden
keinen seiner Wege,
[34.28] so daß das Schreien der Armen vor ihn kommen
mußte und er das Schreien der Elenden hörte.
[34.29] - Wenn er sich aber ruhig hält, wer will ihn
verdammen? Und wenn er das Antlitz verbirgt, wer kann ihn schauen
unter allen Völkern und Leuten? -
[34.30] So läßt er denn nicht einen Gottlosen regieren,
der ein Fallstrick ist für das Volk.
[34.31] Wenn einer zu Gott sagt: "Ich hab's
getragen*, ich will kein Unrecht mehr tun. *Bisherige
Lutherbibel: Ich habe gebüßt. Anderer Vorschlag: Ich habe
geirrt.
[34.32] Was ich nicht sehe, das lehre du mich; hab ich
unrecht gehandelt, ich will's nicht mehr tun",
[34.33] soll er dann nach deinem Sinn vergelten, weil du
ja widerrufen hast? Denn du hast zu wählen und nicht ich, und
was du erkannt, sage an!
[34.34] Verständige Leute werden zu mir sagen und ein
weiser Mann, der mir zuhört: "
[34.35] Hiob redet mit Unverstand, und seine Worte sind
nicht klug. "
[34.36] Oh, Hiob sollte bis zum Äußersten geprüft
werden, weil er Antworten gibt wie freche Sünder.
[34.37] Denn zu seiner Sünde fügt er noch Frevel hinzu.
Er treibt Spott unter uns und macht viele Worte wider Gott.
[35.1] Und Elihu hob an und sprach:
[35.2] Hältst du das für recht, nennst du das
"meine Gerechtigkeit vor Gott",
[35.3] daß du sprichst: "Was nützt sie mir? Was
habe ich davon, daß ich nicht sündige?"
[35.4] Ich will dir antworten ein Wort und deinen Freunden
mit dir.
[35.5] Schau gen Himmel und sieh; und schau die Wolken an
hoch über dir!
[35.6] Sündigst du, was kannst du ihm schaden? Und wenn
deine Missetaten viel sind, was kannst du ihm tun?a
[35.7] Und wenn du gerecht wärst, was kannst du ihm
geben, oder was wird er von deinen Händen nehmen?a
[35.8] Nur einem Menschen wie dir kann deine Bosheit etwas
tun und einem Menschenkind deine Gerechtigkeit.
[35.9] Man schreit, daß viel Gewalt geschieht, und ruft
um Hilfe vor dem Arm der Großen;
[35.10] aber man fragt nicht: "Wo ist Gott, mein
Schöpfer, der Lobgesänge gibt in der Nacht,
[35.11] der uns klüger macht als die Tiere auf Erden und
weiser als die Vögel unter dem Himmel?"
[35.12] Da schreien sie über den Hochmut der Bösen, doch
er erhört sie nicht.
[35.13] Denn Gott wird Nichtiges nicht erhören, und der
Allmächtige wird es nicht ansehen.
[35.14] Nun gar, wenn du sprichst, du könntest ihn nicht
sehen - der Rechtsstreit liegt ihm vor, harre nur seiner!
[35.15] Aber nun, da sein Zorn nicht heimsucht und er sich
um Frevel nicht viel kümmert,
[35.16] sperrt Hiob seinen Mund auf um nichts und hält
stolze Reden mit Unverstand.
[36.1] Elihu hob noch einmal an und sprach:
[36.2] Warte noch ein wenig, ich will dich lehren; denn
ich habe noch etwas für Gott zu sagen.
[36.3] Ich will mein Wissen weit herholen und meinem
Schöpfer Recht verschaffen.
[36.4] Meine Reden sind wahrlich nicht falsch; vor dir
steht einer, der es wirklich weiß.
[36.5] Siehe, Gott ist mächtig und verwirft niemand; er
ist mächtig an Kraft des Herzens.
[36.6] Den Gottlosen erhält er nicht am Leben, sondern
hilft dem Elenden zum Recht.
[36.7] Er wendet seine Augen nicht von dem Gerechten,
sondern mit Königen auf dem Thron läßt er sie sitzen immerdar,
daß sie groß werden.
[36.8] Und wenn sie gefangen liegen in Ketten und elend,
gebunden mit Stricken,
[36.9] so hält er ihnen vor, was sie getan haben, und
ihre Sünden, daß sie sich überhoben haben,
[36.10] und öffnet ihnen das Ohr zur Warnung und sagt
ihnen, daß sie sich von dem Unrecht bekehren sollen.
[36.11] Gehorchen sie und dienen ihm, so werden sie bei
guten Tagen alt werden und glücklich leben.
[36.12] Gehorchen sie nicht, so werden sie dahinfahren
durch des Todes Geschoß und vergehen in Unverstand.
[36.13] Die Ruchlosen verhärten sich im Zorn. Sie flehen
nicht, auch wenn er sie gefangen legt;
[36.14] so wird ihre Seele in der Jugend sterben und ihr
Leben unter den Hurern im Tempel.
[36.15] Aber den Elenden wird er durch sein Elend erretten
und ihm das Ohr öffnen durch Trübsal.
[36.16] So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst in
einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem
Tische, voll von allem Guten, wirst du Ruhe haben.
[36.17] Wenn du aber richtest wie ein Gottloser, so halten
dich Gericht und Recht fest.
[36.18] Sieh zu, daß nicht dein Zorn dich verlockt oder
die Menge des Lösegeldes dich verleitet.
[36.19] Wird dein Geschrei dich aus der Not bringen oder
alle kräftigen Anstrengungen?
[36.20] Sehne dich nicht nach der Nacht, die Völker
wegnimmt von ihrer Stätte!
[36.21] Hüte dich und kehre dich nicht zum Unrecht, denn
Unrecht wählst du lieber als Elend!
[36.22] Siehe, Gott ist groß in seiner Kraft; wo ist ein
Lehrer, wie er ist?a
[36.23] Wer will ihm weisen seinen Weg, und wer will zu
ihm sagen: "Du tust Unrecht"?
[36.24] Denk daran, daß du sein Werk preisest, von dem
die Menschen singen.
[36.25] Denn alle Menschen schauen danach aus, aber sie
sehen's nur von ferne.
[36.26] Siehe, Gott ist groß und unbegreiflich; die Zahl
seiner Jahre kann niemand erforschen.
[36.27] Er zieht empor die Wassertropfen und treibt seine
Wolken zusammen zum Regen,
[36.28] daß die Wolken überfließen und Regen senden auf
die Menge der Menschen.
[36.29] Wer versteht, wie er die Wolken türmt und donnern
läßt aus seinem Gezelt?
[36.30] Siehe, er breitet sein Licht um sich und bedeckt
alle Tiefen des Meeres.
[36.31] Denn damit regiert er die Völker und gibt Speise
die Fülle.
[36.32] Er bedeckt seine Hände mit Blitzen und bietet sie
auf gegen den, der ihn angreift.
[36.33] Ihn kündet an sein Donnern, wenn er mit Zorn
eifert gegen den Frevel.
[37.1] Darüber entsetzt sich mein Herz und fährt
bebend hoch.
[37.2] O hört doch, wie sein Donner rollt und was für
Gedröhn aus seinem Munde geht!
[37.3] Er läßt ihn hinfahren unter dem ganzen Himmel und
seinen Blitz über die Enden der Erde.
[37.4] Ihm nach brüllt der Donner, und er donnert mit
seinem großen Schall; und wenn sein Donner gehört wird, hält
er die Blitze nicht zurück.
[37.5] Gott donnert mit seinem Donner wunderbar und tut
große Dinge, die wir nicht begreifen.
[37.6] Er spricht zum Schnee: "Falle zur Erde!"
und zum Platzregen, so ist der Platzregen da mit Macht.
[37.7] So legt er alle Menschen unter Siegel, daß die
Leute erkennen, was er tun kann.
[37.8] Die wilden Tiere gehen in die Höhle und legen sich
auf ihr Lager.
[37.9] Aus seinen Kammern kommt der Sturm und von Norden
her die Kälte.
[37.10] Vom Odem Gottes kommt Eis, und die weiten Wasser
liegen erstarrt.
[37.11] Die Wolken beschwert er mit Wasser, und aus der
Wolke bricht sein Blitz.
[37.12] Er kehrt die Wolken, wohin er will, daß sie alles
tun, was er ihnen gebietet auf dem Erdkreis:
[37.13] zur Züchtigung für ein Land oder zum Segen
läßt er sie kommen.
[37.14] Das vernimm, Hiob, steh still und merke auf die
Wunder Gottes!
[37.15] Weißt du, wie Gott ihnen Weisung gibt und wie er
das Licht aus seinen Wolken hervorbrechen läßt?
[37.16] Weißt du, wie die Wolken schweben, die Wunder des
Allwissenden?
[37.17] Du, dem schon die Kleider heiß werden, wenn das
Land stilliegt unterm Südwind,
[37.18] kannst du gleich ihm die Wolkendecke ausbreiten,
die fest ist wie ein gegossener Spiegel?
[37.19] Zeige uns, was wir ihm sagen sollen; denn wir
können nichts vorbringen vor Finsternis.
[37.20] Wenn jemand redet, muß es ihm gesagt werden? Hat
je ein Mensch gesagt, er wolle vernichtet werden?
[37.21] Eben sah man das Licht nicht, das hinter den
Wolken hell leuchtet; als aber der Wind daherfuhr, da wurde es
klar.
[37.22] Von Norden kommt goldener Schein; um Gott her ist
schrecklicher Glanz.
[37.23] Den Allmächtigen erreichen wir nicht, der so
groß ist an Kraft und reich an Gerechtigkeit. Das Recht beugt er
nicht.
[37.24] Darum sollen ihn die Menschen fürchten, und er
sieht keinen an, wie weise sie auch sind. (Kapitel 38-42)
[38.1] Und der HERR antwortete Hiob aus dem Wettersturm
und sprach:
[38.2] Wer ist's, der den Ratschluß verdunkelt mit Worten
ohne Verstand?
[38.3] Gürte deine Lenden wie ein Mann! Ich will dich
fragen, lehre mich!a
[38.4] Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage
mir's, wenn du so klug bist!
[38.5] Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer
über sie die Richtschnur gezogen hat?
[38.6] Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat
ihren Eckstein gelegt,
[38.7] als mich die Morgensterne miteinander lobten und
jauchzten alle Gottessöhne?
[38.8] Wer hat das Meer mit Toren verschlossen, als es
herausbrach wie aus dem Mutterschoß,
[38.9] als ich's mit Wolken kleidete und in Dunkel
einwickelte wie in Windeln,
[38.10] als ich ihm seine Grenze bestimmte mit meinem Damm
und setzte ihm Riegel und Tore
[38.11] und sprach: "Bis hierher sollst du kommen und
nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!"?
[38.12] Hast du zu deiner Zeit dem Morgen geboten und der
Morgenröte ihren Ort gezeigt,
[38.13] damit sie die Ecken der Erde faßte und die
Gottlosen herausgeschüttelt würden?
[38.14] Sie wandelt sich wie Ton unter dem Siegel und
färbt sich bunt wie ein Kleid.
[38.15] Und den Gottlosen wird ihr Licht genommen und der
erhobene Arm zerbrochen werden.
[38.16] Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen und auf
dem Grund der Tiefe gewandelt?
[38.17] Haben sich dir des Todes Tore je aufgetan, oder
hast du gesehen die Tore der Finsternis?
[38.18] Hast du erkannt, wie breit die Erde ist? Sage an,
weißt du das alles!
[38.19] Welches ist der Weg dahin, wo das Licht wohnt, und
welches ist die Stätte der Finsternis,
[38.20] daß du sie zu ihrem Gebiet bringen könntest und
kennen die Pfade zu ihrem Hause?
[38.21] Du weißt es ja, denn zu der Zeit wurdest du
geboren, und deine Tage sind sehr viel!
[38.22] Bist du gewesen, wo der Schnee herkommt, oder hast
du gesehen, wo der Hagel herkommt,
[38.23] die ich verwahrt habe für die Zeit der Trübsal
und für den Tag des Streites und Krieges?
[38.24] Welches ist der Weg dahin, wo das Licht sich teilt
und der Ostwind hinfährt über die Erde?
[38.25] Wer hat dem Platzregen seine Bahn gebrochen und
den Weg dem Blitz und Donner,
[38.26] daß es regnet aufs Land, wo niemand ist, in der
Wüste, wo kein Mensch ist,
[38.27] damit Einöde und Wildnis gesättigt werden und
das Gras wächst?
[38.28] Wer ist des Regens Vater? Wer hat die Tropfen des
Taus gezeugt?
[38.29] Aus wessen Schoß geht das Eis hervor, und wer hat
den Reif unter dem Himmel gezeugt,
[38.30] daß Wasser sich zusammenzieht wie Stein und der
Wasserspiegel gefriert?
[38.31] Kannst du die Bande des Siebengestirns
zusammenbinden oder den Gürtel des Orion auflösen?
[38.32] Kannst du die Sterne des Tierkreises aufgehen
lassen zur rechten Zeit oder die Bärin samt ihren Jungen
heraufführen?
[38.33] Weißt du des Himmels Ordnungen, oder bestimmst du
seine Herrschaft über die Erde?
[38.34] Kannst du deine Stimme zu der Wolke erheben, damit
dich die Menge des Wassers überströme?
[38.35] Kannst du die Blitze aussenden, daß sie hinfahren
und sprechen zu dir: "Hier sind wir"?
[38.36] Wer gibt die Weisheit in das Verborgene? Wer gibt
verständige Gedanken?
[38.37] Wer ist so weise, daß er die Wolken zählen
könnte? Wer kann die Wasserschläuche am Himmel ausschütten,
[38.38] wenn der Erdboden hart wird, als sei er gegossen,
und die Schollen fest aneinander kleben?
[38.39] Kannst du der Löwin ihren Raub zu jagen geben und
die jungen Löwen sättigen,
[38.40] wenn sie sich legen in ihren Höhlen und lauern in
ihrem Versteck?
[38.41] Wer bereitet dem Raben die Speise, wenn seine
Jungen zu Gott rufen und irrefliegen, weil sie nichts zu essen
haben?
[39.1] Weißt du die Zeit, wann die Gemsen gebären,
oder hast du aufgemerkt, wann die Hirschkühe kreißen?
[39.2] Zählst du die Monde, die sie erfüllen müssen,
oder weißt du die Zeit, wann sie gebären?
[39.3] Sie kauern sich nieder, werfen ihre Jungen und
werden los ihre Wehen.
[39.4] Ihre Jungen werden stark und groß im Freien und
gehen davon und kommen nicht wieder zu ihnen.
[39.5] Wer hat dem Wildesel die Freiheit gegeben, wer hat
die Bande des Flüchtigen gelöst,
[39.6] dem ich die Steppe zum Hause gegeben habe und die
Salzwüste zur Wohnung?
[39.7] Er verlacht das Lärmen der Stadt, die Schreie des
Treibers hört er nicht;
[39.8] er durchstreift die Berge, wo seine Weide ist, und
sucht, wo es grün ist.
[39.9] Meinst du, der Wildstier wird dir dienen wollen und
wird bleiben an deiner Krippe?
[39.10] Kannst du ihm das Seil anknüpfen, um Furchen zu
machen, oder wird er hinter dir in den Tälern den Pflug ziehen?
[39.11] Kannst du dich auf ihn verlassen, weil er so stark
ist, und überläßt du ihm, was du erarbeitet hast?
[39.12] Kannst du ihm trauen, daß er dein Korn einbringt
und in deine Scheune sammelt?
[39.13] Der Fittich der Straußin hebt sich fröhlich;
aber ist's ein Gefieder, das sorgsam birgt?
[39.14] Läßt sie doch ihre Eier auf der Erde liegen zum
Ausbrüten auf dem Boden
[39.15] und vergißt, daß ein Fuß sie zertreten und ein
wildes Tier sie zerbrechen kann!
[39.16] Sie ist so hart gegen ihre Jungen, als wären es
nicht ihre; es kümmert sie nicht, daß ihre Mühe umsonst war.
[39.17] Denn Gott hat ihr die Weisheit versagt und hat ihr
keinen Verstand zugeteilt.
[39.18] Doch wenn sie aufgescheucht wird, verlacht sie
Roß und Reiter.
[39.19] Kannst du dem Roß Kräfte geben oder seinen Hals
zieren mit einer Mähne?
[39.20] Kannst du es springen lassen wie die Heuschrecken?
Schrecklich ist sein prächtiges Schnauben.
[39.21] Es stampft auf den Boden und freut sich, mit Kraft
zieht es aus, den Geharnischten entgegen.
[39.22] Es spottet der Furcht und erschrickt nicht und
flieht nicht vor dem Schwert.
[39.23] Auf ihm klirrt der Köcher und glänzen Spieß und
Lanze.
[39.24] Mit Donnern und Tosen fliegt es über die Erde
dahin und läßt sich nicht halten beim Schall der Trompete.
[39.25] Sooft die Trompete erklingt, wiehert es
"Hui!" und wittert den Kampf von ferne, das Rufen der
Fürsten und Kriegsgeschrei.
[39.26] Fliegt der Falke empor dank deiner Einsicht und
breitet seine Flügel aus dem Süden zu?
[39.27] Fliegt der Adler auf deinen Befehl so hoch und
baut sein Nest in der Höhe?
[39.28] Auf Felsen wohnt er und nächtigt auf Zacken der
Felsen und steilen Klippen.
[39.29] Von dort schaut er aus nach Beute, und seine Augen
sehen sie von ferne.
[39.30] Seine Jungen gieren nach Blut, und wo Erschlagene
liegen, da ist er.
[40.1] *Und der HERR antwortete Hiob und sprach:
*Abweichende Verszählung statt 40,1-32: 39,31 - 40,27.
[40.2] Wer mit dem Allmächtigen rechtet, kann der ihm
etwas vorschreiben? Wer Gott zurechtweist, der antworte!
[40.3] Hiob aber antwortete dem HERRN und sprach:
[40.4] Siehe, ich bin zu gering, was soll ich antworten?
Ich will meine Hand auf meinen Mund legen.
[40.5] Einmal hab ich geredet und will nicht mehr
antworten, ein zweites Mal geredet und will's nicht wieder tun.
[40.6] Und der HERR antwortete Hiob aus dem Wettersturm
und sprach:
[40.7] Gürte wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich
fragen; lehre mich!a
[40.8] Willst du mein Urteil zunichte machen und mich
schuldig sprechen, daß du recht behältst?
[40.9] Hast du einen Arm wie Gott, und kannst du mit
gleicher Stimme donnern wie er?
[40.10] Schmücke dich mit Pracht und Hoheit; zieh
Majestät und Herrlichkeit an!
[40.11] Streu aus den Zorn deines Grimmes; schau an alle
Hochmütigen und demütige sie!
[40.12] Ja, schau alle Hochmütigen an und beuge sie und
zertritt die Gottlosen in Grund und Boden!
[40.13] Verscharre sie miteinander in der Erde, und
versenke sie ins Verborgene,
[40.14] so will auch ich dich preisen, daß dir deine
rechte Hand helfen kann.
[40.15] Siehe da den Behemot*, den ich geschaffen habe wie
auch dich! Er frißt Gras wie ein Rind. *d. i. ein Riesentier,
nach der Art des Nilpferds.
[40.16] Siehe, welch eine Kraft ist in seinen Lenden und
welch eine Stärke in den Muskeln seines Bauchs!
[40.17] Sein Schwanz streckt sich wie eine Zeder; die
Sehnen seiner Schenkel sind dicht geflochten.
[40.18] Seine Knochen sind wie eherne Röhren, seine
Gebeine wie eiserne Stäbe.
[40.19] Er ist das erste der Werke Gottes; der ihn gemacht
hat, gab ihm sein Schwert.
[40.20] Die Berge tragen Futter für ihn, und alle wilden
Tiere spielen dort.
[40.21] Er liegt unter Lotosbüschen, im Rohr und im
Schlamm verborgen.
[40.22] Lotosbüsche bedecken ihn mit Schatten, und die
Bachweiden umgeben ihn.
[40.23] Siehe, der Strom schwillt gewaltig an: er dünkt
sich sicher, auch wenn ihm der Jordan ins Maul dringt.
[40.24] Kann man ihn fangen Auge in Auge und ihm einen
Strick durch seine Nase ziehen?
[40.25] Kannst du den Leviatan* fangen mit der Angel und
seine Zunge mit einer Fangschnur fassen?
[40.26] Kannst du ihm ein Binsenseil an die Nase legen und
mit einem Haken ihm die Backen durchbohren?
[40.27] Meinst du, er wird dich lang um Gnade bitten oder
dir süße Worte geben?
[40.28] Meinst du, er wird einen Bund mit dir schließen,
daß du ihn für immer zum Knecht bekommst?
[40.29] Kannst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel oder
ihn für deine Mädchen anbinden?
[40.30] Meinst du, die Zunftgenossen werden um ihn
feilschen und die Händler ihn verteilen?
[40.31] Kannst du mit Spießen spicken seine Haut und mit
Fischerhaken seinen Kopf?
[40.32] Lege deine Hand an ihn! An den Kampf wirst du
denken und es nicht wieder tun!
[41.1] * Siehe, jede Hoffnung wird an ihm zuschanden;
schon wenn einer ihn sieht, stürzt er zu Boden. *Abweichende
Verszählung statt 41,1-26: 40,28 - 41,25.
[41.2] Niemand ist so kühn, daß er ihn zu reizen wagt. -
Wer ist denn, der vor mir bestehen könnte?
[41.3] Wer kann mir entgegentreten und ich lasse ihn
unversehrt? Unter dem ganzen Himmel ist keiner!
[41.4] Ich will nicht schweigen von seinen Gliedern, wie
groß, wie mächtig und wohlgeschaffen er ist.
[41.5] Wer kann ihm den Panzer ausziehen, und wer darf es
wagen, ihm zwischen die Zähne zu greifen?
[41.6] Wer kann die Tore seines Rachens auftun? Um seine
Zähne herum herrscht Schrecken.
[41.7] Stolz stehen sie wie Reihen von Schilden,
geschlossen und eng aneinandergefügt.
[41.8] Einer reiht sich an den andern, daß nicht ein
Lufthauch hindurchgeht.
[41.9] Es haftet einer am andern, sie schließen sich
zusammen und lassen sich nicht trennen.
[41.10] Sein Niesen läßt Licht aufleuchten; seine Augen
sind wie die Wimpern der Morgenröte.
[41.11] Aus seinem Rachen fahren Fackeln, und feurige
Funken schießen heraus.
[41.12] Aus seinen Nüstern fährt Rauch wie von einem
siedenden Kessel und Binsenfeuer.
[41.13] Sein Odem ist wie lichte Lohe, und aus seinem
Rachen schlagen Flammen.
[41.14] Auf seinem Nacken wohnt die Stärke, und vor ihm
her tanzt die Angst.
[41.15] Die Wampen seines Fleisches haften an ihm, fest
angegossen, ohne sich zu bewegen.
[41.16] Sein Herz ist so hart wie ein Stein und so fest
wie der untere Mühlstein.
[41.17] Wenn er sich erhebt, so entsetzen sich die
Starken, und vor Schrecken wissen sie nicht aus noch ein.
[41.18] Trifft man ihn mit dem Schwert, so richtet es
nichts aus, auch nicht Spieß, Geschoß und Speer.
[41.19] Er achtet Eisen wie Stroh und Erz wie faules Holz.
[41.20] Kein Pfeil wird ihn verjagen; die Schleudersteine
sind ihm wie Spreu.
[41.21] Die Keule achtet er wie einen Strohhalm; er
spottet der sausenden Lanze.
[41.22] Unter seinem Bauch sind scharfe Spitzen; er fährt
wie ein Dreschschlitten über den Schlamm.
[41.23] Er macht, daß die Tiefe brodelt wie ein Topf, und
rührt das Meer um, wie man Salbe mischt.
[41.24] Er läßt hinter sich eine leuchtende Bahn; man
denkt, die Flut sei Silberhaar.
[41.25] Auf Erden ist nicht seinesgleichen; er ist ein
Geschöpf ohne Furcht.
[41.26] Er sieht allem ins Auge, was hoch ist; er ist
König über alle stolzen Tiere.
[42.1] Und Hiob antwortete dem HERRN und sprach:
[42.2] Ich erkenne, daß du alles vermagst, und nichts,
das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. "
[42.3] Wer ist der, der den Ratschluß verhüllt mit
Worten ohne Verstand?"a Darum hab ich unweise geredet, was
mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. "
[42.4] So höre nun, laß mich reden; ich will dich
fragen, lehre mich!"
[42.5] Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen;
aber nun hat mein Auge dich gesehen.
[42.6] Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in
Staub und Asche.
[Note: Gott rechtfertigt Hiob gegenüber seinen Freunden][42.7]
Als nun der HERR diese Worte mit Hiob geredet hatte, sprach er zu
Elifas von Teman: Mein Zorn ist entbrannt über dich und über
deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet
wie mein Knecht Hiob.
[42.8] So nehmt nun sieben junge Stiere und sieben Widder
und geht hin zu meinem Knecht Hiob und opfert Brandopfer für
euch; aber mein Knecht Hiob soll für euch Fürbitte tun; denn
ihn will ich erhören, daß ich nicht töricht an euch handle.
Denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob.
[42.9] Da gingen hin Elifas von Teman, Bildad von Schuach
und Zofar von Naama und taten, wie der HERR ihnen gesagt hatte.
Und der HERR erhörte Hiob.
[42.10] Und der HERR wandte das Geschick Hiobs, als er
für seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR gab Hiob doppelt
soviel, wie er gehabt hatte.
[42.11] Und es kamen zu ihm alle seine Brüder und alle
seine Schwestern und alle, die ihn früher gekannt hatten, und
aßen mit ihm in seinem Hause und sprachen ihm zu und trösteten
ihn über alles Unglück, das der HERR über ihn hatte kommen
lassen. Und ein jeder gab ihm ein Goldstück und einen goldenen
Ring.
[42.12] Und der HERR segnete Hiob fortan mehr als einst,
so daß er vierzehntausend Schafe kriegte und sechstausend Kamele
und tausend Joch Rinder und tausend Eselinnen.
[42.13] Und er bekam sieben Söhne und drei Töchter
[42.14] und nannte die erste Jemima, die zweite Kezia und
die dritte Keren-Happuch*. *d. h. Täubchen, Zimmetblüte und
Salbhörnchen.
[42.15] Und es gab keine so schönen Frauen im ganzen
Lande wie die Töchter Hiobs. Und ihr Vater gab ihnen Erbteil
unter ihren Brüdern.
[42.16] Und Hiob lebte danach hundertundvierzig Jahre und
sah Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Glied.
[42.17] Und Hiob starb alt und lebenssatt.